OLG Düsseldorf veröffentlicht Urteil zum Informationsaustausch (Süßwarenhersteller)

Das OLG Düsseldorf hatte am 27. Januar 2017 im sog. Süßwaren-Kartell bestätigt, dass nicht nur klassische Absprachen zwischen Unternehmen kartellrechtlich verboten sind, sondern auch der Austausch von wettbewerblich sensiblen Informationen. Es hatte die vom Bundeskartellamt (BKartA) verhängten Bußgelder zum Teil erhöht. Nun wurde das Urteil veröffentlicht. Aus Sicht des BKartA handelt es sich um ein "wichtiges Gerichtsurteil zum Thema Informations¬austausch".

Hintergrund Bundeskartellamt

Das Bundeskartellamt hatte Anfang 2013 bzw. Mitte 2014 Bußgelder gegen mehrere Unternehmen und Personen verhängt, da die Beteiligten über einige Jahre Informationen über den Stand der Verhandlungen mit dem Lebensmitteleinzelhandel sowie teilweise auch über beabsichtigte Erhöhungen der Listenpreise ausgetauscht hatten bzw. diesen Austausch förderten.

Entscheidung OLG Düsseldorf

Am 26.01.2017 (Az. V-4 Kart 4/15 OWI) urteilte das OLG, dass die Bußgelder auf insgesamt € 21,3 Mio. erhöht werden. Nach Presseberichten verteilen sich die Bußgelder nun wie folgt: Bahlsen € 8,5 Mio., Griesson de Beukelaer € 7 Mio., CFP Brands € 5 Mio., Feodora etwa € 500.000, Verband € 130.000. Den Rest zahlen sechs Mitarbeiter, die am Informationsaustausch beteiligt gewesen sein sollen. Das BKartA legte bei der damaligen Bußgeldberechnung nur die Erlöse am deutschen Markt zugrunde. Das Gericht hat nun als Bemessungsgrundlage für das Bußgeld den Konzernumsatz verwendet.

Rechtliche Bewertung des OLG Düsseldorf:

Unter einer Vereinbarung i.S.d. § 1 GWB ist die inhaltlich übereinstimmende Äußerung des Willens zu einem bestimmten Marktverhalten zu verstehen. Aus einem regelmäßig – und deshalb eben nicht mehr zufällig – praktizierten Austausch sensibler Geschäftsdaten kann sich ein entsprechendes Einverständnis bezüglich dieser Praxis als Grundvereinbarung entwickeln (Tz. 1026).

Auch ein bloß passives Zugegensein in Sitzungen, die eine Wiederholung des Informationsaustauschs erwarten ließen, ohne deutliche Distanzierung aus Sicht der jeweils anderen Unternehmensrepräsentanten kann nur als Bestätigung des Konsenses verstanden werden (Tz. 1027).

Dass einer stillschweigend geschlossenen Grundübereinkunft keine rechtliche Bindungswirkung zukommt, ist unerheblich. Ohne dass es einer Sicherung der Kartelldisziplin durch vorgesehene wirtschaftliche oder faktische Sanktionen bedarf, genügt hierfür allein schon die moralische Bindung im Sinne eines sogenannten Gentlemen´s Agreements (Tz. 1028).

Marktinformationssysteme, bei denen sich Wettbewerber u.a. über Konditionen ihrer Geschäftsabschlüsse und Umsätze informieren, sind kartellrechtlich dann unbedenklich, wenn lediglich Auskünfte über Durchschnittswerte erteilt werden und eine Identifizierung einzelner Kunden oder Lieferanten sowie Rückschlüsse auf einzelne Geschäftsvorgänge ausgeschlossen sind (Tz. 1034).

Hier aber bezog sich der Informationsaustausch auf unternehmensbezogene Geschäftsdaten mit identifizierendem Inhalt und mit konkretem Bezug zu einzelnen Geschäftsvorgängen, nämlich über
(a) das individuelle Betroffensein von bestimmten Forderungen des Handels
(b) den individuellen Gegenstand und wesentlichen Inhalt der an den einzelnen Hersteller gerichteten Handelsforderung (beispielsweise Eurobetrag oder prozentualer Umsatzanteil)
(c) die diesbezügliche Positionierung des einzelnen Herstellers
(d) Verhandlungsspielräume / Reaktionen des Handels hierauf
(e) den Entwicklungsstand von Konditionenverhandlungen in Jahresgesprächen oder Sonderforderungskampagnen des Handels.

Darüber hinaus umfasste der vereinbarte Informationsaustausch identifizierende Angaben zum Stand von beabsichtigten Preiserhöhungen, deren Größenordnung in ungefähren Spannen ebenfalls mitgeteilt werden sollte (Tz. 1034).

Die Offenlegung solcher Informationen jedenfalls zwischen Wettbewerbern führt zu einer Einschränkung des Geheimwettbewerbs zwischen diesen (Tz. 1035).

Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung: Es war Ziel der Grundübereinkunft, mittels des vereinbarten Informationsaustauschs die im Informationskreis repräsentierten Unternehmen in die Lage zu versetzen, die Betroffenheit und Positionierung des auskunftserteilenden Herstellerunternehmens im Hinblick auf die identifizierten Verhandlungen sowie die Breite eines diesbezüglichen Verhandlungsspielraums bei dem bestimmten Handelskunden einschätzen und anhand dieses Wissens die eigene Positionierung in Verhandlungen mit demselben Handelskunden über dieselben Themen besser ausrichten zu können (Tz. 1036).

Kein Verbotsirrtum: Die Unternehmensrepräsentanten durften nicht allein aufgrund der Mitwirkung von Verbandsjuristen von der Rechtmäßigkeit ihres Tuns im Verkaufsleiterausschuss ausgehen, dieses reicht für die Annahme einer Vermeidbarkeit nicht aus (Tz. 1091).

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