Diese Frage wird häufig gestellt: Soll das Gebäude energieeffizient sein oder besser erneuerbare Energie erzeugen? Die Antwort ist für Experten des energieeffizienten Bauens ganz klar: Es gibt kein „entweder oder“, sondern nur ein „sowohl als auch“! Beides ist wichtig! Das zeigt auch der Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser am
14. Mai 2020 auf. Die Veranstaltung trägt den Titel „Energieeffizienz und erneuerbare Energien: Zielkonflikt oder Synergie?" und wird als Webinar durchgeführt.

Nicht selten werden die Energie-effizienz eines Gebäudes und die Nutzung erneuerbarer Energie als alternative Maßnahmen wahrgenommen. Dabei schafft die konsequente Umsetzung von Energieeffizienz erst die Voraus-setzung dafür, erneuerbare Energien nachhaltig nutzen zu können. „Das Passivhaus-Konzept belegt, dass sich beides hervorragend ergänzt: Erst bei einem sehr niedrigen Energie-bedarf des Gebäudes wird es interessant, einen nennens-werten Anteil des verbleibenden Energiebedarfs mit Energie zu decken, die vor Ort regenerativ erzeugt wird“, erklärt Dr. Jürgen Schnieders vom Passivhaus Institut in Darmstadt.

Vorreiter Siedlung Kronsberg

Das belegte auch die klimaneutrale Passivhaus-Siedlung Kronsberg in Hannover. Dort wurden bereits 1999 insgesamt 32 Reihenhäuser im Passivhaus-Standard errichtet und mit thermischen Solaranlagen ausgestattet. Zudem erwarben die Bewohner Anteile an einem nahegelegenen Windrad, so dass die gesamte Siedlung seit ihrem Bau weniger Primärenergie verbraucht, als dort erzeugt wird. Damit hat Kronsberg als erste Siedlung in Europa Klimaneutralität wirtschaftlich nachhaltig umgesetzt.

Pilotprojekt nachgerüstet

Seit dem Bau der Kronsberger Siedlung sind viele weitere Passivhäuser mit der Erzeugung erneuerbarer Energie verbunden worden. Auch das weltweit erste Passivhaus, das der Gründer des Passivhaus Instituts, Dr. Wolfgang Feist, Anfang der neunzehnhundertneunziger Jahre in Darmstadt-Kranichstein baute, erhielt vor einigen Jahren zusätzlich eine Photovoltaikanlage. Seitdem ist das Pilotprojekt des energieeffizienten Bauens im Passivhaus-Standard ein zertifiziertes Passivhaus Plus und produziert bilanziell pro Jahr mehr Strom, als es verbraucht.

Arbeitskreis als Webinar

Der Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser untersucht in seiner 56. Sitzung am 14. Mai 2020 die Verbindung von Energieeffizienz und erneuerbarer Energie. Dabei stellen die Referenten neben praktischen Beispielen für die Verbindung des Passivhaus-Standards mit erneuerbarer Energie auch Randbedingungen und Potentiale erneuerbarer Energieerzeuger vor. Zudem wird gezeigt, mit welchen Lösungen ein klimaneutraler Gebäudebestand erreicht werden kann und wie Planer schon heute wirtschaftlich tragfähige Beiträge dazu leisten können. Anders als die vorherigen Präsenz-veranstaltungen wird diese 56. Sitzung des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser online als Webinar durchgeführt. Dadurch kann der Arbeitskreis zu einem reduzierten Beitrag angeboten werden und eine Teilnahme an der Veranstaltung ist bequem von Zuhause aus möglich. Programm und Anmeldung Arbeitskreis

Theorie und Praxis

Der Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser (AkkP) vermittelt seit seiner Gründung im Jahr 1996 zwischen Theorie und Praxis. Bei den ganztägigen Veranstaltungen werden zentrale Fragen des energieeffizienten Bauens nach ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung vorgestellt und mit dem Fachpublikum diskutiert. Die 57. Sitzung des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser findet am 4. November 2020 mit dem Titel „Gebäudekonzepte für heiße Sommer: Schwerpunkt Passivhaus-Nichtwohngebäude“ statt. Träger der Arbeitskreise 55 bis 57 ist das Land Hessen mit dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. Für Mitglieder der Informations-Gemeinschaft IG Passivhaus sowie Mitarbeiter von Kommunen gelten besondere Teilnehmerbeiträge. Die Sitzungen des Arbeitskreises sind als Weiterbildungen anerkannt.

Allgemeine Informationen

Passivhäuser
Beim Passivhaus-Konzept wird der für Gebäude typische Wärmeverlust durch Wände, Fenster und Dach drastisch reduziert: u.a. durch eine hochwertige Wärmedämmung, Fenster mit dreifacher Verglasung sowie eine luftdichte Gebäudehülle. Die insgesamt fünf Grundprinzipien sorgen dafür, dass Passivhäuser ohne klassische Gebäudeheizung auskommen. „Passiv“ werden die Häuser genannt, da der größte Teil des Wärmebedarfs aus „passiven“ Quellen wie Sonneneinstrahlung sowie Abwärme von Personen und technischen Geräten gedeckt wird.

Da die Wärme in einem Passivhaus lange verbleibt, muss nur an sehr kalten Tagen aktiv geheizt werden. Insgesamt ist sehr wenig Energie für die Bereitstellung dieser Restwärme vonnöten. Im Sommer ist ein Passivhaus ebenfalls im Vorteil: Dann bewirkt die gute Dämmung, dass die Hitze draußen bleibt. Eine aktive Kühlung ist daher in Wohngebäuden in der Regel nicht nötig. Durch die niedrigen Energiekosten im Passivhaus sind die Nebenkosten kalkulierbar – eine Grundlage für bezahlbares Wohnen und sozialen Wohnungsbau. Ein Passivhaus verbraucht rund 90 Prozent weniger Heizwärme als ein bestehendes Gebäude und 75 Prozent weniger als ein durchschnittlicher Neubau.

Passivhaus und NZEB
Der Passivhaus-Standard erfüllt die Anforderungen der Europäischen Union an Nearly Zero Energy Buildings. Laut der Europäischen Gebäuderichtlinie EPBD müssen die Mitgliedstaaten die Anforderungen an so genannte Fast-Nullenergiehäuser (NZEB) in ihren nationalen Bauvorschriften festlegen. Die Richtlinie der EU ist seit Januar 2019 für öffentliche Gebäude in Kraft und gilt für alle anderen Gebäude ab dem Jahr 2021.

Pionierprojekt
Das weltweit erste Passivhaus errichteten vier private Bauherren, darunter Dr. Wolfgang Feist, vor über 28 Jahren in Darmstadt-Kranichstein. Die Reihenhäuser gelten seit dem Einzug der Familien 1991 als Pionierprojekt für den Passivhaus-Standard. Das Pionier-Passivhaus nutzt mit seiner neuen Photovoltaikanlage nun erneuerbare Energie und erhielt das Zertifikat zum Passivhaus Plus.      

Passivhaus und erneuerbare Energie
Der Passivhaus-Standard lässt sich gut mit der Erzeugung erneuerbarer Energie direkt am Gebäude kombinieren. Seit April 2015 gibt es für dieses Versorgungskonzept die neuen Gebäudeklassen „Plus“ und „Premium“.

Passivhäuser
Mittlerweile gibt es Passivhäuser für alle Nutzungsarten: Neben Wohn- und Bürogebäuden existieren auch Kitas und Schulen, Sporthallen, Schwimmbäder und Fabriken als Passivhäuser. In Frankfurt am Main entsteht gerade die weltweit erste Passivhaus-Klinik. Das Interesse steigt stetig. Mit Blick auf den Ressourcenverbrauch der Industrieländer sowie den Klimaschutz setzen Kommunen, Unternehmen und Privatleute einen Neubau oder eine Sanierung zunehmend im Passivhaus-Standard um. 

Passivhaustagung
Die 24. Internationale Passivhaustagung findet am 20. und 21. September 2020 (Sonntag und Montag) statt.

Über die Passivhaus Institut GmbH

Das Passivhaus Institut mit Sitz in Darmstadt ist ein unabhängiges Forschungsinstitut zur hocheffizienten Nutzung von Energie bei Gebäuden. Das von Dr. Wolfgang Feist gegründete Institut belegt eine internationale Spitzen-position bei der Forschung und Entwicklung zum energieeffizienten Bauen. Dr. Wolfgang Feist erhielt unter anderem 2001 den DBU-Umweltpreis für die Entwicklung des Passivhaus-Konzepts.

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