In der gut besuchten Stuttgarter Liederhalle begrüßte Albert Reich, Landeskulturreferent von BdV und SL, die aus ganz Baden-Württemberg zur zentralen Kundgebung des Jahres angereisten Gäste. Ein bunter Reigen deutscher Kultur aus den Herkunftsgebieten der deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedler begleitete Festredner Guido Wolf durch den Nachmittag. Albert Reich verwies in seiner Begrüßung darauf, dass heute der Begriff Heimat wieder positiv belegt sei und dies auch ein Verdienst der deutschen Heimatvertriebenen sei, die ihrer Heimat, derer sie in Ost- und Mitteleuropa beraubt wurden, stets treu waren und die sie sich nicht nehmen ließen.

Das diesjährige Motto „Unrechtsdekrete beseitigen – Europa zusammenführen“ beinhaltet wesentliche Ziele der Sudetendeutschen Landsmannschaft, auf die deren Landesobmann Klaus Hoffmann verweist. So hätte die Sudetendeutsche Landsmannschaft in ihrer Grundsatzerklärung 2015 die weitere Aufarbeitung der Vertreibung, dieses dunklen Kapitels europäischer Geschichte, die Heilung des auf beiden Seiten begangenen Unrechts und auch die außer Kraft Setzung der Unrechtsdekrete als Ziel ausgegeben.

In seiner Festrede forderte Minister Guido Wolf, in Baden-Württemberg zuständig für die Themen Justiz und Europa, die Staaten in Ost- und Mitteleuropa, in denen bis heute Unrechtsdekrete Bestandteil der Rechtsordnung sind, auf diese nun auch endlich formal zu beseitigen. Vertreibung, Entrechtung dürften sich niemals wiederholen, meinte er und betonte, dass die Beseitigung der Unrechtsdekrete notwendig wären für die Bewältigung der Vergangenheit. Er ergänzte „Denn selbst soweit diese Dekrete heute keine Rechtswirksamkeit mehr entfalten, so kann doch ihr formales Fortbestehen den Blick für Recht und Unrecht trüben.“ Außerdem so Wolf „Auch ist nur zu verständlich, dass alleine das formale Fortbestehen, dieser „Un-Rechtsakte“ für die Opfer bitter, ja schmerzlich ist.“ Daher sei die Aufhebung der Unrechtsdekrete ein wichtiger Schritt in einem immer enger zusammenwachsenden Europa. Er sagte „Diese Dekrete auch formal zu beseitigen, wäre daher ein wichtiges, ein wohltuendes Zeichen an die deutschen Heimatvertrieben und zugleich eine Reverenz an das Europäische Versöhnungs- und Friedensprojekt!“

Die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards seien Grundwerte. Demokratie und Rechtsstaat seien nicht verhandelbar. So sieht er eine wichtige Aufgabe in der Vermittlung stark divergierender Meinungen zwischen Macron und Orban. Man dürfe jedoch den anderen Mitgliedsstaaten nicht das Gefühl von Bevormundung vermitteln. Es gelte in Europa den Ausgleich zu suchen, so wie es in den vergangenen Jahrzehnten bereits Usus war.

Krieg und Vertreibung kennen nur ein Opfer – die Menschlichkeit, zeigte er sich betroffen.

Daher komme auch der Heimat heute eine so wichtige Bedeutung zu. In Zeiten der Individualisierung, in Zeiten in denen althergebrachte Sitten verblassen, sei es heute wieder an der Zeit einen modernen Heimatbegriff zu prägen. „Wie lässt sich Heimat stärken oder reanimieren“? fragte er daher in die Runde. Familie, Vereine, örtliche Gemeinschaften und auch die Kirchen seien unverzichtbar für die Entwicklung dieses heimatlichen Gefühls. Denn Heimat sei ebenso eine „geistige Angelegenheit wie eine Angelegenheit des Herzens“.

Wenn ein moderner Mensch unter Menschen eine Heimat finde, dann wüchse auch das Selbstvertrauen, das in den letzten Jahren bei vielen Menschen in Deutschland gelitten habe. Nichts sei integrativer als eine intakte Heimat, für die wir alle einstehen sollten. Denn die Sehnsucht nach Heimat, sie sei da. Somit sollten sich die deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedler als Brückenbauer in die Heimat verstehen, aber auch als Heimatstifter in Baden-Württemberg und in den Herkunftsgebieten.

Mit einer guten Nachricht kam er zum Schluss seiner Rede. Denn zur Stärkung der Geschäftsstelle des BdV und der Projektarbeit der Landsmannschaften solle die Förderung erhöht werden – die Gäste nahmen die Botschaft erfreut zur Kenntnis, nach Jahren der Einschnitte.

Er verabschiedete sich mit den Worten von der Bühne „Europa ist unsere Zukunft“. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Überrascht wurde Minister Wolf von den Banater Schwaben, die ihm die Ehrenmitgliedschaft andienten und ihn mit einem typischen buntgeschmückten Hut auszeichneten.

Über Sudetendeutsche Landsmannschaft Landesgruppe e. V

Sudetendeutsche Landsmannschaft Landesverband Baden-Württemberg e.V.

Wir vertreten die im Land Baden-Württemberg wohnenden Sudetendeutschen.

Die Nachfahren jener Deutschen, die vor mehr als 800 Jahren in den sogenannten "Böhmischen Ländern", nämlich in Böhmen, Mähren und dem südlichen Teil Schlesiens (diese Länder bilden heute die "Tschechische Republik") ansässig geworden sind, wurden in diesem Jahrhundert unter dem Sammelnamen "Sudetendeutsche" bekannt.

1945/46 wurden 3,2 Millionen von den insgesamt 3,5 Millionen Sudetendeutschen aus ihrer Heimat vertrieben, ihr Eigentum wurde entschädigungslos konfisziert. Konfiskation und Vertreibung waren begleitet von blutigen Exzessen. Grundlage dieser gegen Menschen- und Völkerrecht verstoßenden "ethnischen Säuberung" bildeten Dekrete, die vom damaligen tschechoslowakischen Staatspräsidenten Edvard Beneš erlassen worden waren und die heute noch gültig sind.

Rund 600 000 dieser vertriebenen Sudetendeutschen kamen nach Baden-Württemberg, wo sie sich eine neue Existenz aufbauten und in das wirtschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle und politische Leben eingegliedert wurden. Sie fanden sich in zahlreichen Vereinigungen zusammen, deren Grundlage ganz verschiedenartig war: Herkunftsgebiete, politische oder kulturelle Interessen, Freizeitgestaltung, berufliche Gemeinsamkeiten und manches mehr.

Jeder 15. Einwohner Baden-Württembergs ist Sudetendeutscher. Heute gibt es in Europa und Übersee insgesamt rund 3,8 Millionen Sudetendeutsche. Rund 600 000 von ihnen kamen im Zuge der Vertreibung aus ihrer Heimat nach dem 2.Weltkrieg nach Baden-Württemberg. Gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung trugen sie in der Nachkriegszeit zum Wiederaufbau des Landes bei. Durch ihre Stimmabgabe bei der Volksabstimmung 1952 waren sie wesentlich am Zustandekommen des "Südweststaates" beteiligt. Die für Baden-Württemberg kennzeichnende Ausgewogenheit zwischen großen Weltfirmen, Mittel- und Kleinbetrieben hat die wirtschaftliche Eingliederung der Sudetendeutschen und die Gründung neuer Werke und Fabriken durch sudetendeutsche Unternehmer in besonderem Maße erleichtert. Stellvertretend dafür seien genannt die Autofirma Porsche in Stuttgart, die Wiesenthal-Glashütte in Schwäbisch Gmünd, die Aluminium-Hütte Grohmann in Bisingen,die Maschinenfabrik Panhans in Sigmaringen, die Papierwerke Zechel in Reilingen,das Pharmawerk Merckle in Blaubeuren, dazu zahlreiche weitere mittlere und kleinere Betriebe.

27 Städte und Gemeinden Baden-Württembergs übernahmen Patenschaften über sudetendeutsche Kreise, Gemeinden und Landschaften. Insgesamt 24 kulturelle sudetendeutsche Einrichtungen – wissenschaftliche Gesellschaften, Archive, Büchereien, Sammlungen, Heimatstuben – wurden durch eigene Kraft der Sudetendeutschen und mit Hilfe öffentlicher Stellen in Baden-Württemberg aufgebaut.

Aus dem kulturellen Leben des Landes sind manche Namen von Sudetendeutschen nicht mehr wegzudenken, wie z. B. der Bildhauer Prof. Otto H. Hajek, die Tänzerin Birgit Keil, die Komponisten Karl-Michael Komma und Widmar Hader, der weltbekannte Posaunist Armin Rosin, die Dirigenten Wolfgang G. Hofmann und Emmerich Smola, die Malerin Traude Teodorescu-Klein oder der Dichter und Schriftsteller Josef Mühlberger – um nur einige wenige stellvertretend zu nennen.

Das Sudetenland im Vergleich zur Fläche einzelner deutscher Bundesländer

Bayern 70550 km2
Baden-Württemberg 35750 km2
Sudetenland 26500 km2
Hessen 21100 km2
Schleswig-Holstein 15700 km2
Saarland 2600 km2

Die kulturelle Verflechtung der Sudetendeutschen mit den übrigen deutschen Ländern und Landschaften ist seit Jahrhunderten eng und vielgestaltig.

Beispiele sind: Der schwäbische Baumeister Peter Parler aus Schwäbisch Gmünd, der im 14. Jahrhundert u. a. den Veitsdom in Prag erbaute, oder der aus dem Egerland kommende Barockbaumeister Balthasar Neumann, der nicht nur die Würzburger Residenz, sondern z. B. auch berühmte Treppenhäuser in Brühl und Bruchsal schuf. Auch andere Namen, herausgegriffen aus einer großen Zahl, beweisen den lebendigen Anteil, den die Deutschen aus den böhmischen Ländern am geistigen Leben des gesamten deutschen Volkes hatten und haben: Der Komponist Johann Wenzel Stamitz aus Deutsch-Brod beispielsweise, der später in Mannheim wirkte, Vinzenz Prießnitz und Johann Schroth, die großen Naturheiler, der Brünner Abt Gregor Mendel, dessen Vererbungslehre zur Grundlage moderner Genetik wurde, die Friedensnobelpreis-Trägerin Bertha von Suttner, die Dichter Rainer Maria Rilke, Adalbert Stifter, Marie von Ebner-Eschenbach, die Maler Alfred Kubin oder Ferdinand Staeger, aber auch die Bamberger Symphoniker, die nach der Vertreibung aus den "Prager Deutschen Philharmonikern" hervorgegangen waren, oder auch der Schriftsteller Otfried Preußler aus Reichenberg, dessen "Räuber Hotzenplotz" und "Kleine Hexe" heute Millionen Kinder und Erwachsene erfreuen.

Die Organisationen der Sudetendeutschen spiegeln in ihrer Vielfalt und Vielschichtigkeit das Leben und die Interessen der Angehörigen dieser Volksgruppe wider. Im politischen, kulturellen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, sozialen und gesellschaftlichen Bereich gibt es sudetendeutsche Zusammenschlüsse, aber auch auf Generationsebene und im Bereich der Freizeitgestaltung.

In Baden-Württemberg gibt es heute 27 größere sudetendeutsche Vereinigungen, von denen viele noch Untergliederungen auf Orts- und Kreisebene haben.

Mehrere sudetendeutsche Zeitschriften werden in Baden-Württemberg herausgegeben, ebenso haben verschiedene sudetendeutsche Stiftungen, Institute und Gesellschaften ihren Sitz in diesem Lande.

Die Sudetendeutschen im Vergleich zur Einwohnerzahl verschiedener Staaten

Norwegen 4,1 Mio
Sudetendeutsche 3,8 Mio
Irland 3,3 Mio
Albanien 2,7 Mio
Luxemburg 0,36 Mio
Island 0,23 Mio

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