Die Schraubtechnik ist nach wie vor Schlüsseltechnologie für zahlreiche Montageaufgaben. Schraubverbindungen zeichnen sich aus durch ihre hohe Belastbarkeit, die Wiederverwendbarkeit der Teile und die Möglichkeit, die Verbindung jederzeit zerstörungsfrei lösen zu können. Schrauben sind daher die am häufigsten verwendeten Maschinenelemente, die in einer extremen Vielfalt an Ausführungen erhältlich und genormt sind.

Der wichtigste Anwendungsfall beim Verschrauben in der Montagetechnik liegt im Aufbringen einer definierten Vorspannkraft. Die Vorspannkraft ist so zu bestimmen, dass einerseits bei jeder möglichen Betriebskraft die vorgesehene Funktion noch gegeben ist, andererseits die zulässige Belastung der Schraubverbindung nicht überschritten wird. Problematisch sind dabei vor allem die häufig unbekannten Setzerscheinungen der Verbindung und die montagebedingten Schwankungen der erreichten Vorspannkraft.

In der Serienfertigung lässt sich die erzielte Vorspannkraft praktisch nur sehr aufwendig ermitteln. Zur Steuerung des Montageprozesses muss deshalb auf indirekte Messgrößen ausgewichen werden. In der Regel ist dies das Anzugsmoment der Verschraubung. Darüber hinaus lassen sich experimentell auch noch weitere Vorgaben wie Drehwinkel, Einschraubzeiten, Reibwerte etc. bestimmen, die als Führungsgrößen für den Montageprozess dienen. Des Weiteren wurden innovative Verfahren zur Erkennung der Schraubenkopfauflage entwickelt, um die Konstanz der Vorspannkraft zu verbessern.

Drehmomentgesteuertes Anzugsverfahren

Das Drehmoment ist in der Schraubtechnik nach wie vor die am häufigsten verwendete Steuergröße. Die aus dem Anzugsmoment resultierende Vorspannkraft wird dabei maßgeblich von den schwankenden Reibbeiwerten sowie der Drehmomentstreuung des Schraubgerätes beeinflusst. Dabei muss man vor allem zwischen der Kopfreibung und der Gewindereibung unterscheiden. Die Summe dieser schwankenden Reibungseinflüsse führt dazu, dass selbst bei hoher Drehmomentwiederholgenauigkeit Schwankungen der resultierenden Vorspannkraft von 50 % und mehr auftreten können. Dies bedeutet, dass die Schraubverbindung immer so überdimensioniert sein muss, dass sie bei einer Abweichung nach oben nicht überlastet wird und bei einer Abweichung nach unten noch immer die geforderte Vorspannkraft aufbringt. „Trotz dieser Nachteile hat sich das drehmomentgesteuerte Anziehen als gängigstes Anzugsverfahren durchgesetzt. Dies liegt an der verhältnismäßig einfachen technischen Realisierungsmöglichkeit.“, so Daniel Guttenberger, Produktmanager DEPRAG Schraubtechnik.

Drehwinkelgesteuertes Anzugsverfahren

Beim sogenannten Drehwinkelverfahren werden Drehmoment und Drehwinkel der Schraubverbindung als Steuergröße herangezogen. Dabei dient im Endanzug der Drehwinkel und nicht das Drehmoment als Steuergröße. D. h. die Schraube wird bis zu einem Schwellmoment angezogen und von dort aus um einen vorgegebenen Nachspannwinkel weitergedreht. Das Drehmoment kann als zusätzliche Kontrollgröße überwacht werden.

Das drehwinkelgesteuerte Abschalten kann sowohl im elastischen als auch im plastischen Bereich der Schraube eingesetzt werden. Ab dem Beginn der eigentlichen Drehwinkelverschraubung wird reibungsunabhängig angezogen. Die Gesamtvorspannkraftstreuung ist demzufolge geringer als beim rein drehmomentgesteuerten Schraubverfahren.

Reibwertabhängige Drehmomentverschraubung

Das Reibwertverfahren wird häufig bei Prüfprozessen angewendet. Hier wird das Ergebnis der Reibwertmessung zur Beurteilung der Qualität von Getrieben, Gewinden oder auch zur Feststellung einer Mindestreibung, z. B. bei selbstsichernden Gewindestiften genutzt. Abhängig vom Reibmoment ist weiterhin eine Verschraubung auf Differenzmoment oder Drehwinkel möglich.

Streckgrenzgesteuertes Anzugsverfahren

Um die Werkstoffeigenschaften der Schraube durch Erreichen des plastischen Verformungsbereichs optimal auszunutzen kann das streckgrenzgesteuerte Anzugsverfahren angewendet werden. Auch hier werden Drehmoment und Drehwinkel als Steuergrößen erfasst. Man macht sich dabei die abfallende Steigung im Spannungs-/Dehnungsdiagramm bei Erreichen der Streckgrenze als Abschaltkriterium zunutze.

Betrachtet man das Spannungs-/Dehnungsdiagramm, so zeigt sich, dass der Anstieg zunächst linear erfolgt und sich bei Erreichen der Streckgrenze abflacht. Die Axialkraft verhält sich proportional zum Drehmoment – die Dehnung proportional zum Drehwinkel. Mathematisch wird der Anstieg einer Kurve als die Ableitung der Funktion definiert. Fällt die Ableitung des Drehmomentes nach dem Drehwinkel auf ca. 50 % des Ausgangswertes, ist die Streckgrenze erreicht und der Anziehvorgang wird beendet. Man kann diesem Prozess noch zusätzlich Grenzwinkel und Grenzmomente zur Sicherheit überlagern.

Mit diesem Verfahren können die Nachteile der schwankenden Reibwerte oder der Einschränkung der ausgewählten Schraube vermieden werden. Die eingesetzten Schrauben können durch die größere Sicherheit beim Erreichen der notwendigen Montagevorspannkraft kleiner dimensioniert werden. Die Streckgrenzsteuerung ist nur bei ordentlichen metrischen Stahlverbindungen anwendbar, da nur hier das dargestellte Spannungs-/Dehnungsdiagramm Gültigkeit hat. Bei kleinen oder sehr kleinen Schraubengrößen stellt dieses Verfahren hohe Anforderungen an die Mess- und Regelungstechnik des Schraubsystems.

Adaptives Anzugsverfahren DEPRAG CFC Clamp Force Control

Das zuverlässige, adaptive Schraubverfahren DEPRAG Clamp Force Control führt auch bei schwankenden Eindrehmomenten zu einer sehr guten Konstanz der Vorspannkraft. Eine vollständige Verschraubung setzt sich aus dem Schraubmuster Kopfauflageerkennung und einer Verschraubung auf Differenzmoment oder einer Verschraubung auf Drehwinkel zusammen. Den Hauptbestandteil bildet die Kopfauflageerkennung. Dazu wird kontinuierlich auf Basis des Drehmomentverlaufs eine mathematische Bewertungsfunktion gebildet. Überschreitet die so errechnete Trendlinie einen fest definierten Grenzwert, gilt die Kopfauflage als erkannt – Drehmoment und Drehwinkel werden zum Zeitpunkt der Kopfauflage gespeichert.

Das Berechnungsverfahren vereint zwei wesentliche Vorteile: Es ist robust gegenüber zufälligen Schwankungen und Anstiegen im Drehmomentverlauf, welche nicht durch die eigentliche Kopfauflage hervorgerufen werden und weiterhin besitzt der Algorithmus Allgemeingültigkeit, so dass vom Anwender keine für die Berechnung relevanten Parameter gesetzt werden müssen.

Zur Anwendung kommt das Schraubverfahren dann, wenn veränderliche Randbedingungen vorliegen, die zu stark variierenden Eindrehmomenten führen. „Schwankungen ergeben sich beispielsweise durch Änderungen in der Schrauben- und/oder Bohrungsgeometrie, dem Gefüge des Bauteilmaterials, wechselnde Oberflächenbeschaffenheiten des Schraubengewindes, federnde Elemente oder Setzerscheinungen.“, so Produktmanager Guttenberger. Das adaptive Anzugsverfahren DEPRAG Clamp Force Control sichert durch die zuverlässige Erkennung der Kopfauflage einen einheitlichen Ausgangszustand für den nachfolgenden Endanzug, was letztlich eine deutlich bessere Konstanz der Vorspannkraft bewirkt. Typische Anwendungsbeispiele sind Direktverschraubungen in Kunststoff oder Metall.

Des Weiteren fügt Guttenberger hinzu: „Je nach Anwendung und veränderlichen Randbedingungen lässt sich für jeden Schraubfall ein geeignetes Anzugsverfahren ermitteln und so die Konstanz der Vorspannkraft verbessern. Eine Schraubfallanalyse kann hier entscheidend sein, um prozesssichere Parameter zu ermitteln und festzulegen. Neben dem Anzugsverfahren können wir unseren Kunden natürlich auch das passende Schraubwerkzeug empfehlen.“

Mit 700 Mitarbeitern, die in über 50 Ländern vertreten sind, ist die DEPRAG SCHULZ GMBH u. CO. ein etablierter Partner, der weltweit innovative Konzepte zur Schraubtechnik und Automation verwirklicht. Neben dem Fullservice-Angebot in den Sparten Schraubtechnik, Zuführtechnik, Steuerungs- und Messtechnik, führt das Maschinenbauunternehmen seine Produkte auch zu komplexen teil- oder vollautomatisierten Montageanlagen zusammen. Vom Beratungsgespräch bis hin zum Service und der Wartung der Anlage liegt alles in einer Hand.

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