Die Bundesregierung plant eine Notfallgesetzgebung für Hauptversammlungen, damit die Aktionärstreffen der laufenden HV-Saison trotz Versammlungsverboten und Ausgangssperren virtuell abgehalten werden können. Allerdings sieht der entsprechende Gesetzesentwurf auch Reglungen vor, die die ohnehin nur noch rudimentär vorhandenen Aktionärsrechte weiter beschneiden.

Die Ministerien der Justiz und für Verbraucherschutz, des Inneren und der Wirtschaft haben einen als „Formulierungshilfe“ bezeichneten Gesetzesentwurf mit zahlreichen Sonderregelungen für die Hauptversammlungssaison 2020 vorgelegt, die ggf. bis 31.12.2021 gelten sollen. Die SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e. V. begrüßt die darin geregelten Maßnahmen grundsätzlich, insbesondere die Verlängerung des Zeitraumes zur Durchführung der Hauptversammlung (HV), die Stärkung der Möglichkeiten der elektronischen HV-Teilnahme und Ausübung der Aktionärsrechte sowie die Möglichkeit, auch ohne entsprechende Satzungsregelung einen Dividendenabschlag zahlen zu können.

In zwei Punkten schießt der Gesetzesentwurf aber deutlich über sein Ziel hinaus und führt zu einer unsachgemäßen und nicht interessensgerechten Einschränkung der Aktionärsrechte:

Der Entwurf für die virtuelle Hauptversammlung stellt die Beantwortung von Aktionärsfragen in das pflichtgemäße Ermessen der Verwaltung, um einer möglichen Flut an (unangebrachten) Fragen vorzubeugen. Die Gefahr eines solchen Szenarios ist aber bei einer HV unter den aktuellen Rahmenbedingungen ebenfalls gegeben. Das Fragerecht kann dort nur unter bestimmten Voraussetzungen beschränkt werden, nicht aber an zusätzliche Anforderungen, wie die Einreichung der Fragen bis zu einer bestimmten Frist vor der HV, geknüpft werden. Die Beantwortung der Fragen kann bei der Präsenz-HV auch nicht in das „pflichtgemäße Ermessen“ der Verwaltung gestellt werden. Vielmehr markiert § 131 AktG Inhalt und Grenzen des Auskunftsrechts. Darüber hinaus schließt eine Einreichungsfrist spontane Fragen, die sich erst aus dem Verlaufe der HV (Vorträge der Verwaltungsorgane, Beiträge anderer Aktionäre, Antworten der Verwaltung) ergeben, per se aus. Das Auskunftsrecht der Miteigentümer einer Aktiengesellschaft besteht praktisch nur auf der Hauptversammlung und ist somit essenziell für die Beurteilung der eigenen Vermögensposition. Dieses Recht ist daher besonders schützenswert und darf nicht abhängig gemacht werden von der Durchführungsart der HV.

Unverständlich sind außerdem die im Gesetzesentwurf vorgesehenen weiteren Beschränkungen des Anfechtungsrechts, die sich im Wesentlichen auf die Einhaltung gewisser Verfahrensroutinen bei der Wahrnehmung der Aktionärsrechte im Wege der elektronischen Kommunikation beziehen und deren Risiko die jeweilige Gesellschaft schon jetzt zu tragen hat. In diesem Zusammenhang ist es überaus zweifelhaft, warum bereits nach der aktuellen Regelung des § 243 Abs. 3 Nr.1 AktG eine Anfechtung bei technischen Störungen nur im Falle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, nicht aber bereits bei normaler Fahrlässigkeit in Betracht kommen soll. Wie bei einer Präsenz-HV hat die Gesellschaft auch bei einer „Online-HV“ für die ordnungsgemäße Organisation und Durchführung dieser zu sorgen und dieses Risiko zu tragen. Außerdem beruhen die im Gesetzesentwurf angesprochenen Verfahrensroutinen zumindest partiell auf europarechtlichen Vorgaben, sodass fraglich ist, ob ein deutscher Sonderweg hier überhaupt möglich ist.

Die SdK sieht die Gefahr und spricht sich deutlich dagegen aus, die aktuelle Krise als Anlass zu nehmen, die ohnehin nur noch rudimentär vorhandenen Aktionärsrechte dauerhaft und nachhaltig zu beschneiden. Vielmehr sollte die Krise als Gelegenheit genutzt werden, ein missbrauchsresistentes Regelwerk unter vollständiger Achtung der Aktionärsrechte zur Durchführung digitaler Hauptversammlungen zu schaffen. Die Risikosphären einer Präsenzhauptversammlung dürfen hierbei aber nicht zulasten der Aktionäre verschoben werden.

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