Der am 25.05.22 vom BMWK vorgelegte Gesetzesentwurf für Maßnahmen im Falle einer Gasmangellage konkretisiert, was seit dem Beginn des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine ins gesellschaftliche Bewusstsein rückt: Deutschland muss sich noch schneller unabhängig von fossilen Energieträgern machen. Insbesondere beim Erdgas, das lange als „Brücke“ zwischen Atom- und Kohleenergie hin zu einem vollständig erneuerbaren Energiesystem gilt, ist der Handlungsdruck besonders groß.

Gekoppelte, gasbasierte Strom- und Wärmeerzeugung ist nach vorherrschender wissenschaftlicher Meinung ein zwingend notwendiger und stetig wachsender Teil effizienter und klimaneutraler Energiesysteme. Statt Erdgas sollte hier jetzt noch schneller auf erneuerbare Gase gesetzt werden.

Hinzu kommen die notwendige Diversifizierung der fossilen Bezugsquellen sowie das Einsparen von Erdgas durch eine besonders effiziente Nutzung dieses Brennstoffs. Der gutgemeinte Weg weg von Erdgas führt bei falscher Ausgestaltung jedoch in vielen Fällen zu technologischen und klimaschutzwirksamen Rebound-Effekten.

Bei KWK-Betreibern in der Industrie, die derzeit noch Erdgas für die eigene Strom- und Wärmenutzung in ihrer Produktion einsetzen, führt der aktuelle Handlungsdruck vermehrt dazu, dass die hocheffizienten KWK-Anlagen abgeschaltet werden. Stattdessen wird die Wärme nun aus Öl, ungekoppelten Gaskesseln oder aus Strom erzeugt, der nun wie auch der direkt benötigte Strom am Markt zusätzlich eingekauft wird. Gasbetriebene KWK-Anlagen haben oft einen Gesamtwirkungsgrad mit Brennwertnutzung von über 90 %, Dampf und Heizkessel liegen oft darunter.

Bis heute sind die geminderten Gaslieferungen aus Russland durch höhere Lieferungen aus Norwegen, Holland usw. ausgeglichen worden. Zurzeit werden die Gasspeicher gefüllt und es besteht daher keine Notwendigkeit, hochflexible KWK-Anlagen abzuschalten. Nach Angaben der BNetzA nehmen 15 GW Erzeugungsleistung nicht am Strommarkt teil. Werden diese Anlagen durch Vorgaben aus den Konzernzentralen der Unternehmen abgeschaltet, muss diese zusätzliche Netzlast durch Kohlekraftwerke ersetzt werden.

Das hat Folgen für Umwelt, Wirtschaft und das Energiesystem durch enorme Effizienzverluste beim Brennstoffeinsatz, denn die getrennte Erzeugung von Strom der eingesetzten Brennstoffe nur zu ca. 40 % nutzen. In Summe kommt es so zu einem höheren Brennstoffeinsatz und damit auch größeren Umweltlasten als bei der Stromerzeugung mit Wärmeauskopplung in der Kraft-Wärme-Kopplung.

„Uns erreichen immer mehr aktuelle Beispiele aus der Industrie z.B. bei Automobilzulieferern, die aufgrund der politischen Aussagen und der aktuellen Gasmarktsignale ihre KWK-Anlagen herunterfahren“ berichtet Claus-Heinrich Stahl, Präsident des B.KWK von Gesprächen in der Branche.

Auch Hersteller von KWK-Anlagen benötigen jetzt klare Perspektiven. Aktuell mehren sich die Fälle, in denen sich Kunden (egal ob Industrie oder Versorger) sowohl wirtschaftlich und technisch (z.B. Lieferung von hohen Temperaturniveaus) als auch hinsichtlich Versorgungssicherheit gerne für ein BHKW entscheiden würden und damit gleichzeitig einen gesicherten Pfad in Richtung Klimaneutralität anstreben, da BHKW auch mit Biogas, Biomethan oder Wasserstoff betrieben werden können. Aufgrund der aufgeheizten Gasdebatte entscheiden sich jedoch vermehrt Kunden für weniger effiziente oder gesamtsystemisch teurere und weniger resiliente Lösungen.

Bei Energiekonzepten von Quartieren, Industrien etc. muss deren Versorgungssicherheit mit Strom und Wärme stets mitgedacht werden und systemdienliche KWK Anlagen zur Deckung der Residuallast entsprechend honoriert werden. Gerade in Ballungszentren mit hohem Industrieanteil können hier interessante regionale Anreizpakete geschaffen werden, die gleichzeitig die Wirtschaft und das Stromsystem stärken und kombinierte Lösungen mit Elektrolyseuren, Wärmepumpe, PV etc. eine zukunftsfähige Dekarbonisierungsstrategie darstellen. Eine Gasbeschränkung für dezentrale KWK Anlagen wäre daher ein Desaster beim weiteren Ausbau klimaneutraler, dezentraler Versorgungssicherheit in den Sektoren Strom und Wärme.

Im vorliegenden Gesetzesentwurf für das „Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz“ sieht der B.KWK daher grundsätzlich Veränderungsbedarf. Gleichzeitig plädiert der Verband dafür, der gasbasierten KWK als Hocheffizienztechnologie eine gesonderte Betrachtung und -behandlung zuzusprechen, aufgrund ihrer Doppelfunktion zur Strom- und gleichzeitigen Wärmeerzeugung.

Die Abschaltung von KWK-Anlagen ist nicht das probate Mittel zur Einsparung von Erdgas und dem jetzt schnell zu organisierenden Hochlauf klimaneutraler Gase. Folgende Aspekte bei den dann für die Wärmeversorgung einzusetzenden Gaskesseln sollten daher von Ministeriumsseite berücksichtigt werden und auch noch mehr Bewusstsein in der Praxis erlangen:

  1. Die Substitution von KWK-Wärme durch Wärme aus Spitzenlastkesseln führt zwar zu Einsparungen von Erdgas, aber gleichzeitig auch zu steigenden Wärmepreisen, die in die Wohnungswirtschaft und bis zu den Endverbraucher:innen durchschlagen.
  2. Spitzenlastkessel in der kommunalen Energieversorgung sind oftmals nicht dafür dimensioniert, die Gesamtwärmeversorgung (oder den Hauptteil) decken zu können, sondern bilden eine Ergänzung zur KWK für Zeiten höchster Wärmebedarfe oder bei Wegfall einzelner KWK-Anlagen. Bei Abschalten der KWK-Leistung in den Wintermonaten droht ggf. eine mangelnde Wärmeversorgung.
  3. Spitzenlastkessel haben lange Standzeiten als Reserve ohne tatsächlich betrieben zu werden. Werden diese nun vermehrt zur Wärmeerzeugung eingesetzt, steigt das Risiko einzelner Ausfälle. Wenn Spitzenlastkessel nicht betriebsbereit sind (Störung o.ä.), müssen KWK-Anlagen betrieben werden dürfen, ohne mit einem Pönale belegt zu werden.

Mit den Neuregelungen für Kohlekraftwerke, die der B.KWK in der aktuellen Situation mitträgt, müssen jedoch für faire Marktbedingungen auch die Regelungen für Gas angepasst werden. Diese sind im vorliegenden Entwurf noch nicht ausgearbeitet und sind dringend nachzureichen.

Im aktuellen Konsultationsverfahren für ein  "Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz" hat der B.KWK gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach e.V. (figawa), CO2 Abgabe e.V., DENEFF EDL_HUB gGmbH und vedec – Verband für Energiedienstleistungen, Effizienz und Contracting e.V. eine Stellungnahme abgegeben.

Zur Stellungnahme Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz

Firmenkontakt und Herausgeber der Meldung:

Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung e.V. (B.KWK)
Robert-Koch-Platz 4
10115 Berlin
Telefon: +49 (30) 27019281-0
Telefax: +49 (30) 27019281-99
http://www.bkwk.de

Ansprechpartner:
Claus-Heinrich Stahl
Telefon: +49 (30) 270192-810
E-Mail: stahl@bkwk.de
Anita Kietzmann
Leiterin energiepolitische Beratung
Telefon: +49 (30) 27019281-11
E-Mail: Anita.Kietzmann@bkwk.de
Für die oben stehende Pressemitteilung ist allein der jeweils angegebene Herausgeber (siehe Firmenkontakt oben) verantwortlich. Dieser ist in der Regel auch Urheber des Pressetextes, sowie der angehängten Bild-, Ton-, Video-, Medien- und Informationsmaterialien. Die United News Network GmbH übernimmt keine Haftung für die Korrektheit oder Vollständigkeit der dargestellten Meldung. Auch bei Übertragungsfehlern oder anderen Störungen haftet sie nur im Fall von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Die Nutzung von hier archivierten Informationen zur Eigeninformation und redaktionellen Weiterverarbeitung ist in der Regel kostenfrei. Bitte klären Sie vor einer Weiterverwendung urheberrechtliche Fragen mit dem angegebenen Herausgeber. Eine systematische Speicherung dieser Daten sowie die Verwendung auch von Teilen dieses Datenbankwerks sind nur mit schriftlicher Genehmigung durch die United News Network GmbH gestattet.

counterpixel