Von der Gründerzeitgartenstadt über die DDR-Neubausiedlung bis zum modernen Stadthafen: An vielen Stellen im Lausitzer Seenland finden sich visionäre Architekturprojekte von einst und heute. Neue Themenführungen machen damit bekannt. Die ersten Touren starten Anfang Juli.

Industriestandort, Braunkohlerevier und bald Europas größte von Menschenhand geschaffene Wasserlandschaft: Das Lausitzer Seenland zwischen Berlin und Dresden ist eine Region im Wandel. Die Architektur spiegelt diesen Prozess. Ihre Aufgabe war und ist es, die jeweilige Zukunft vorwegzunehmen. Das lässt sich an vielen Stellen erfahren. Durchdachte Werkssiedlungen und elegante Backsteinfabriken erzählen von visionären Unternehmern der Gründerzeit, Plattenbausiedlungen von Sozialismus und Planwirtschaft, maritime Hafenanlagen und schwimmende Ferienhäuser vom Aufbruch in die postindustrielle Ära. Jetzt starten wieder spannende geführte Touren zu diesen und weiteren Architekturentdeckungen im Lausitzer Seenland. Das sind die Highlights:

Neustadt Hoyerswerda: per Rad und zu Fuß durch die einstige DDR-Musterstadt

Modernes Wohnen auf höchstem Niveau mit Fernwärme, fließendem Wasser und Elektrizität: Dieser Traum erfüllte sich für tausende Arbeiter in der Neustadt von Hoyerswerda, der zweiten Planstadt der DDR. Zwischen 1957 bis 1989 entstanden 22 000 Wohnungen in mehrgeschossigen Plattenbauten. Der Staat lockte mit Arbeit im nahegelegenen Kombinat "Schwarze Pumpe", dem einst größten Braunkohleveredelungsbetrieb der Welt, und mit einer modernen Infrastruktur. Jeder der zehn Wohnkomplexe war eine eigene Stadt mit Kindergarten, Schule, Kaufhalle, Kneipe und Post. Nach der Wende verloren Tausende ihre Arbeit und zogen weg. Der Leerstand zwang die Stadt zum Rückbau.

Doch etwa die Hälfte der Plattenbauten steht noch, ist saniert und mitunter Kulturdenkmal. Gästeführerin Konstanze Niemz nimmt Interessierte mit auf eine neue sieben Kilometer lange Radtour durch die Neustadt Hoyerswerda vom Siedlungsgebiet der Sorben, über den ersten Plattenbau bis hin zu den aufgrund vom Rückbau neu entstandenen Grünflächen. Dabei gibt sie Einblicke in die Architektur und Wohnkultur der DDR. Die nächsten öffentlichen Termine sind am 2. Juli sowie am 3. September. Gruppen ab fünf Personen können die Tour auch individuell buchen. Eine Anmeldung ist über die Tourist-Information Hoyerswerda möglich.

Neben zahlreichen Skulpturen und wegweisenden Neubauten sind auch Bücher wertvolle Zeitdokumente der besonderen Geschichte von Hoyerswerda Neustadt. "Auf der Spur von Literatur und Architektur – ein geführter Rundgang durch die Neustadt Hoyerswerda" bietet am 9. Juli und am 25. September besondere Einblicke in die Querverbindungen von effizienter Stadtplanung und kreativem Schaffen. Gemeinsam mit den Teilnehmenden sucht Konstanze Niemz die Schauplätze aus dem unvollendeten Roman "Franziska Linkerhand" (1974) von Brigitte Reimann und aus dem dokumentarischen Roman "Kinder von Hoy" (2021) von Grit Lemke auf. Beide Autorinnen beschreiben den Aufbau der Stadt, Lemke beschäftigt sich zudem mit dem Niedergang und den rassistischen Ausschreitungen nach der Wende. Auch diese Tour ist über die Tourist-Information buchbar. Für Gruppen ab fünf Personen sind individuelle Termine möglich.

Darüber hinaus bietet das Schloss und Stadtmuseum Hoyerswerda am 16. Juli, 20. August, 10. und 17. September eine geführte Radtour vom Schloss in der Altstadt durch die Neustadt mit Gästeführerin Konstanze Niemz an. Über literarische Texte und Musik der Stadtführerin erhalten Teilnehmer einen Einblick in die Historie der Stadt. Die Tour ist über das Stadtmuseum buchbar.

Gartenstadt Marga: mit einem Gästeführer die lebenswerte Arbeitersiedlung erkunden

Die Idee, eine lebenswerte Arbeitersiedlung zu schaffen, ist keine Erfindung des DDR-Staatsapparates. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts kamen die tristen Mietskasernen mit ihren schlechten Wohnverhältnissen in den Großstädten in Verruf. Das Gegenmodell waren die Gartenstädte, entworfen auf dem Reißbrett mit viel Grün. Eine der ersten in Deutschland entstand im heutigen Senftenberger Stadtteil Brieske: die Gartenstadt Marga. 1905 gewann der Dresdner Architekt Georg Heinsius von Mayenburg mit seinem Entwurf für 78 Häuser in 15 verschiedenen Haustypen den Wettbewerb der Ilse-Bergbau-AG, die lebenswerten Wohnraum für ihre Arbeiter der Grube "Marga" schaffen wollte.

Zwischen 1907 und 1915 entstand die Gartenstadt, angeordnet in einem kreisförmigen Grundriss, mit hellen Wohnhäusern, Gärten, einem Marktplatz mit öffentlichen Gebäuden im Jugendstil sowie einem Grünring mit Sportplatz und Festwiese. Zur Infrastruktur gehörten unter anderem auch eine Kirche, eine Schule, ein Ärztehaus sowie eine Bäckerei und ein Gasthaus.

Mit einem Gästeführer können Interessierte mehr über die Wohn- und Arbeitsverhältnisse Anfang des 20. Jahrhunderts erfahren. Die nächsten Termine für die zweistündige öffentliche Führung durch die Gartenstadt Marga sind am 15. Juli, 19. August, 11. sowie 16. September und 21. Oktober. Anmeldungen für diese sowie individuelle Touren für Gruppen sind über die Tourist-Information Senftenberg möglich.

Neue Architekturprojekte: Mit dem Kleinbus auf den Spuren der Internationalen Bauausstellung

Anfang der Jahrtausendwende rückte das Lausitzer Seenland in den Fokus von Landschaftsplanern, Gestaltern und Architekturinteressierten in ganz Deutschland. Die IBA Fürst-Pückler-Land entwickelte zwischen 2000 und 2010 insgesamt 30 Projekte für den Landschafts- und Strukturwandel in der Region. Zu den herausragenden gehören die IBA-Terrassen in Großräschen, das Besucherbergwerk F60, die Biotürme Lauchhammer, der Stadthafen Senftenberg, schwimmende Ferienhäuser auf dem Geierswalder See und die Landmarke Rostiger Nagel.

Die Nachfolge des IBA Tourenservice, der Interessierte zu Fuß, per Jeep oder Fahrrad den Landschaftswandel näherbrachte, traten Eckhard und Sören Hoika an. Gemeinsam entwickelten Vater und Sohn, beide Tourismus-Pioniere im Lausitzer Seenland, mit ihrer Firma iba-aktiv-tours Gästeführungen zu den Sehenswürdigkeiten der Region.

Zu den beliebtesten Touren gehört heute die dreistündige Rundfahrt "Vom Bergmann zum Seemann" im Kleinbus. Sie führt Gäste unter anderem zu den IBA-Terrassen oberhalb eines neu entstandenen Weinbergs am Großräschener See, die nach den Plänen des Architekten Ferdinand Heide gebaut und 2005 mit dem Brandenburgischen Architekturpreis ausgezeichnet wurden. Weiter geht es zum Aussichtsturm Rostiger Nagel, der 2010 den Sonderpreis des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erhielt. Den Abschluss bildet der Stadthafen Senftenberg mit schwimmenden Seebrückenkopf. 2013 errang er beim Brandenburgischen Baukulturpreis einen Sonderpreis. Die Rundfahrt "Vom Bergmann zum Seemann" startet bis Oktober jeden Donnerstag 10 Uhr sowie jeden 1. und 3. Sonntag im Monat 14 Uhr an den IBA-Terrassen. Eine Anmeldung ist direkt bei iba-aktiv-tours möglich.

Darüber hinaus können die vorgestellten Touren auf dem Urlauberportal des Tourismusverbandes vorab online gebucht werden: www.lausitzerseenland.de/de/urlaub-buchen/erlebnisse-buchen.html.

Weitere Architekturentdeckungen im Lausitzer Seenland

Schwimmende Ferienhäuser auf dem Geierswalder See

Bereits zu Beginn warb die IBA für schwimmende Häuser im Lausitzer Seenland als Markenzeichen. Eines der ersten Projekte waren 2009 die schwimmenden Ferienhäuser auf dem Geierswalder See.

Koschener Kanal mit Schleusenwärterhaus

Der Koschener Kanal ist die erste schiffbare Verbindung im Lausitzer Seenland. 2013 wurde er eingeweiht.

Seebrücke Großräschen

Als Zeichen der Bergbauvergangenheit und Symbol für den Neuanfang steht die Seebrücke am Großräschener See, die 2005 eingeweiht wurde. Sie entstand aus einem Abraumabsetzer des Tagebaus Meuro, der hier noch bis 1999 bestand.

Victoriahöhe Großräschen

Eine einem Schiff nachempfundene stählerne Aussichtsplattform auf dem Standort einer zerstörten Brikettfabrik steht seit 2007 auf der Victoriahöhe am Großräschener See. Informationstafeln erklären, was in der Ferne zu sehen ist und welche Orte dem Tagebau weichen mussten.

Besucherbergwerk F60

Die Abraumförderbrücke F60 gehört zu den beeindruckendsten Relikten des Braunkohletagebaus, die Engagierte 1992 vor der Verschrottung retteten und sie bis heute Besuchern zugänglich machen.

Energiefabrik Knappenrode In dem imposanten Backsteinbau aus dem Jahr 1914 befand sich bis 1993 eine Brikettfabrik. Heute gehört die Energiefabrik Knappenrode als größtes Bergbaumuseum des deutschen Braunkohlebergbaus zur Europäischen Route der Industriekultur.

Biotürme Lauchhammer

Die 22 Meter hohen Klinkertürme sind die Reste einer Kokereianlage, der ersten ihrer Art weltweit. 1991 wurde sie stillgelegt. Heute begleiten Gästeführer Interessierte auf die verglaste Aussichtskanzel.

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