Nirgends leiden die Menschen so schön an der sich verändernden Welt wie bei Anton Tschechow. Sein letztes Stück »Der Kirschgarten« (1904) gilt als das Zeitenwende-Stück schlechthin, in dem sich Vertreter der alten und der neuen Epoche gegenüberstehen. Der Garten ist ein Symbol für eine dem Luxus und Müßiggang ergebene Gesellschaft, die nicht imstande ist, sich den gewandelten Verhältnissen und ihren neuen ökonomischen Bedingungen anzupassen. Die jüngere Generation sehnt die Zukunft herbei und weiß doch auch nichts damit anzufangen. Beide sind auf ihre Weise verunsichert. Für Tschechow lag viel Komik in der Unvereinbarkeit dieser beiden Welten. So kündigte er in einem Brief an seine Frau Olga Knipper in Vorbereitung auf den »Kirschgarten« an: »Das nächste Stück, das ich schreiben werde, wird unbedingt komisch, sehr komisch, zumindest im Plan.« Diese Intention greift Regisseur Axel Vornam für seine Inszenierung auf. In der Melancholie, dem Selbstmitleid und der Ignoranz der Alten auf der einen und der großspurigen Überheblichkeit der Jungen auf der anderen Seite sieht er viel Potential für Komik. Dabei ist es ihm ebenso wie dem Autor wichtig, die Figuren nicht moralisch zu bewerten.
»Der Kirschgarten« hat am 26. April 2024 um 19.30 Uhr im Großen Haus Premiere. Tom Musch ist für die Ausstattung verantwortlich. In der Hauptrolle der Gutsbesitzerin Ranjewskaja ist erstmals Sabine Fürst am Theater Heilbronn zu sehen.  

Zum Inhalt
Nach fünfjährigem Aufenthalt in Paris kommt Ljubow Andrejewna Ranjewskaja wieder nach Hause auf ihr Gut in der russischen Provinz. Der wunderschöne große Kirschgarten, der weit und breit seinesgleichen sucht, steht in voller Blüte. Dass es im Monat Mai noch Nachtfröste gibt, wird aber den Ertrag der Bäume beeinträchtigen. Wieder keine Hoffnung auf Einnahmen, die doch so dringend nötig wären. Das Gut ist pleite. Dennoch lebte Ljubow Andrejewna Ranjewskaja in Paris auf großem Fuß nach gewohnter herrschaftlicher Manier. Sie war nach dem Tod ihres Mannes und dem tragischen Ertrinken ihres kleinen Sohnes im nahegelegenen Fluss von dem Gut geflohen, um nicht mehr an die traumatischen Ereignisse erinnert zu werden. Ihr neuer Mann nahm sie aus und zog zu einer anderen, als es nichts mehr zu holen gab. Dennoch gibt sich die Ranjewskaja immer noch großzügig und solvent, als wäre alles, wie es immer war.
Anja, die Tochter der Gutsbesitzerin, hat ihre Mutter zurückgeholt, denn das bankrotte Gut soll im Mai versteigert werden. Der reiche Kaufmann Lopachin, Sohn von einstigen leibeigenen Bauern des Gutes, der sich mit Klugheit und Fleiß emporgearbeitet hat, hat eine Idee, wie der Besitz zu retten wäre: Man könnte das riesige Grundstück parzellieren, um Sommerhäuser für die Städter darauf zu bauen. Dafür müsste man allerdings den Kirschgarten abholzen. Ein Geschäft, auf das sich Ljubow Andrejewna Ranjewskaja, für die der Kirschgarten der Inbegriff ihrer Heimat ist, niemals einlassen will. Sie möchte lieber nach der althergebrachten Art des Adels die finanziellen Probleme mit einer lukrativen Hochzeit lösen und ihre Pflegetochter Warja mit Lopachin verheiraten. Doch die Zeiten haben sich geändert. Wer nicht mit ihnen geht, wird überrollt.

Übergangsgesellschaft
Voller Leichtigkeit und Ironie und mit einem guten Gespür für groteske Situationen und Charaktere beschreibt Anton Tschechow eine Gesellschaft im Übergang, in der die Protagonisten des Alten nicht wahrhaben wollen, dass ihre Zeit abgelaufen ist, und einfach so weitermachen wie zuvor. Die neuen Helden und Glücksritter haben aber auch keine wirklichen Antworten auf die existentiellen Fragen der Menschheit, sie holzen den Garten ab und machen den Grund und Boden zu Geld oder sie schwadronieren vom besseren Menschen, ohne ihr eigenes Leben in den Griff zu kriegen.
Das 120 Jahre alte Stück weist in dieser Konstellation über seinen zeitgeschichtlichen Hintergrund weit hinaus. Von heute aus betrachtet, wirkt es wie der Seismograph einer Zeit, die der unseren gar nicht so unähnlich war. Wo alte Gewissheiten nicht mehr gelten und Unsicherheit zur alltäglichen Erfahrung wird, neigt man dazu, die Vergangenheit zu verklären oder die Zukunft mit Heilserwartungen zu überfrachten.

Das Beste von allem Schönen
Stanislawski, der die Moskauer Uraufführung des Stückes inszenierte und selbst den Lopachin spielte, telegrafierte nach der ersten Lektüre des »Kirschgarten« an den Autor: »Habe soeben das Stück gelesen. Bin erschüttert, komme gar nicht zur Besinnung. Eine Begeisterung wie noch nie. Halte das Stück für das Beste von allem Schönen, das Sie je geschrieben haben.« Leider sollte es Anton Tschechows letztes Stück bleiben. Im Juli 1904 starb er im Alter von nur 44 Jahren an den Folgen einer langjährigen Tuberkulose-Erkrankung.

Premiere am 26. April 2024, 19.30 Uhr, Großes Haus des Theater Heilbronn
Der Kirschgarten
Komödie in vier Akten von Anton Tschechow
Aus dem Russischen von Werner Buhss

Regie: Axel Vornam
Ausstattung: Tom Musch
Licht: Harald Emrich
Dramaturgie: Dr. Mirjam Meuser

Ljubow Andrejewna Ranjewskaja, Gutsbesitzerin: Sabine Fürst
Anja, ihre Tochter: Romy Klötzel
Warja, ihre Adoptivtochter: Juliane Schwabe
Leonid Andrejewitsch Gajew, Bruder der Ranjewskaja: Oliver Firit
Jermolai Alexejewitsch Lopachin, Kaufmann: Sven-Marcel Voss
Pjotr Sergejewitsch Trofimow, Student: Lennart Olafsson
Boris Borissowitsch Simeonow-Pischtschik, Gutsbesitzer: Tobias D. Weber
Charlotta Iwanowna, Gouvernante: Sabine Unger
Semjon Pantelejewitsch Jepichodow, Kontorist: Gabriel Kemmether
Dunjascha, Stubenmädchen: Leonie Berner
Firs, Diener: Stefan Eichberg
Jascha, junger Diener: Felix Lydicke

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