• Mobilitätswende regionenübergreifend gestalten
  • Planungssicherheit durch Masterplan der Politik gefordert
  • Brennstoffzellenantrieb für Nutzfahrzeuge im Fokus

Das Auto ist in Deutschland nach wie vor das dominante Verkehrsmittel der Alltagsmobilität. 57 Prozent aller Wege und 75 Prozent aller Passagierkilometer werden mit dem PKW zurückgelegt. Dies geht aus einer Studie des Bundesverkehrsministeriums hervor. In den deutschen Ballungsräumen wie der Metropolregion Rhein-Neckar legen die Menschen demnach trotz kurzer Tagesstrecken (durchschnittlich 37 Kilometer pro Person) 22 Kilometer pro Tag mit dem Auto zurück. In der Region sind das weiterhin zum größten Teil Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Laut einer Erhebung des Fachbereichs „Energie und Mobilität“ der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH waren 2018 in Rhein-Neckar 1.724 (0,12 Prozent) der insgesamt rund 1,4 Mio. zugelassenen Fahrzeuge elektrisch. „Wir benötigen völliges Umdenken und einen grundlegenden Bewusstseinswandel in der Mobilität – es gibt keine Energiewende ohne Mobilitätswende. Lebenswerte Städte entstehen dann, wenn bei der Verteilung von Nutzungsansprüchen nicht mehr die Interessen der Autofahrer einseitig im Vordergrund stehen“, sagte Bernd Kappenstein, Leiter des Fachbereichs „Energie und Mobilität“ der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH heute zum Auftakt der dritten „Regionalkonferenz Mobilitätswende“ in Ludwigshafen.

Rund 500 Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik waren der gemeinsamen Einladung von Metropolregion Rhein-Neckar und TechnologieRegion Karlsruhe (TRK) gefolgt, um innovative Mobilitäts-Projekte kennenzulernen und Lösungen für die Zukunft der Mobilität zu diskutieren. Auf dem Vorplatz des Pfalzbaus konnten sich Teilnehmer und Bürger zudem über den aktuellen Stand der Technik bei alternativen Antriebstechniken informieren, zum Beispiel an den Info-Ständen der Verkehrsverbünde Karlsruhe (KVV) und Rhein-Neckar (VRN) oder bei einer Probefahrt mit einem Brennstoffzellen-PKW des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Der Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium, Andy Becht, unterstrich in seinem Grußwort die Relevanz des Themas: „Mit der Mobilität ist es wie in der Gesellschaft: Die Vielfalt macht’s! Nicht jeder hat die gleichen Bedürfnisse oder Anforderungen an Mobilität. Das übergeordnete Ziel ist klar: niedrigere CO2-Werte. Dieses Ziel muss auf vielfältigem Weg mit jeder Antriebstechnologie erzielt werden können. Daran sollten wir arbeiten und die Entwicklung technologieoffen vorantreiben.“

Mobilitätswende bleibt Gemeinschaftsaufgabe

Den Worten des Staatsekretärs schloss sich Kappenstein an und verwies darauf, dass in einem Jahrhundert mit wachsendem Mobilitätsbedarf und einer Vielfalt von Mobilitätsformen ein Denken in größeren Dimensionen entscheidend sei und nicht an regionalen Grenzen haltmachen dürfe. Der Aufsichtsratsvorsitzende der TechnologieRegion Karlsruhe GmbH, Karlsruhes Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup, unterstrich diese Sichtweise: „Die 3. Regionalkonferenz zur Mobilitätswende in Ludwigshafen zeigt, wie eng TechnologieRegion Karlsruhe und Metropolregion Rhein-Neckar an Lösungen für eine der zentralen Herausforderungen der Gegenwart zusammenarbeiten. Zukunftsfähige Mobilität, die den Anforderungen der Menschen gerecht wird und zugleich zum Klimaschutz beiträgt, ist nur über Regionen hinweg machbar.“

Jutta Steinruck, Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen, begrüßte den Schulterschluss der Regionen und wies zugleich auf die gemeinsamen Herausforderungen hin: „Der zunehmende Verkehr und die Umweltbelastungen in den Städten machen unsere bisher gelebte Mobilität problematisch und ineffizient. Wir müssen die Mobilität von morgen besser und intelligenter gestalten mit Mobilitätsmustern, die vielschichtiger und komplexer sein werden.“ Stefan Dallinger, Vorsitzender des Verbands Region Rhein-Necker (VRRN), hob aus Sicht der Region die Wichtigkeit hervor, dass Mobilitätsgrundlagen und -anforderungen für den Wohn-, Wirtschafts- und Industriestandort Rhein-Neckar weiterhin gut abgebildet werden müssen: „Möglichst reibungslos fließende Verkehre – egal ob auf der Schiene, auf dem Rad oder auf der Straße – sind unerlässlich wichtige Standortfaktoren unserer Region.“

Klarer Kurs der Politik gefordert

Die Diskussionen auf dem Podium machten deutlich: Die Regionen Rhein-Neckar und Karlsruhe verfügen in Wirtschaft und Wissenschaft über viel Wissen und Expertise, um neue Mobilität aktiv mitzugestalten. Um solch alternative Mobilitätskonzepte gemeinsam sozialverträglich und wirtschaftlich erfolgreich auszurollen, sei jedoch ein klarer strategischer Kurs der Politik nötig, verdeutlichte Kappenstein: „Gerade für Unternehmen bedeutet die Verkehrswende Investitionen und Risiko. Wir brauchen daher dringend einen gemeinsamen Masterplan, der Rechtssicherheit schafft und das gewaltige Projekt auf eine belastbare Grundlage stellt.“ Dies sah auch Jochen Ehlgötz, Geschäftsführer der TechnologieRegion Karlsruhe GmbH, so: „Bedingt durch die politischen Rahmenbedingungen und die neuen Möglichkeiten im Bereich der Mobilität, stehen wir vor fundamentalen Änderungen in unseren täglichen Arbeits- und Lebenswelten. Städte und Regionen werden sich verändern und stehen dadurch vor großen Aufgaben. Die Regionalkonferenz bietet den Mobilitätsakteuren Gelegenheit länder- und sektorenübergreifend zu diskutieren sowie gemeinsame Wege zu entwickeln, die technologisch machbar sind und zugleich auf breite gesellschaftliche Akzeptanz stoßen.“ Anne Klein-Hitpaß von Agora Verkehrswende brachte es abschließend auf den Punkt: „Für eine Mobilitätswende brauchen wir einen Bewusstseinswandel und wir brauchen vor allem einen politischen Rahmen, der diesen Bewusstseinswandel fördert und auch belohnt. Kurz gefasst bedeutet das: aus dem Ministerium oder Rathaus, in die Köpfe, auf die Straße!“

„Verschlafen wir die Verkehrswende?“ und „Durch Bewusstseinswandel zur Verkehrswende – wie gelingt uns dieser Weg?“ lauteten die Titel der beiden sich anschließenden Diskussionen. Der Tenor: Beim Blick auf die klimafreundlichen Antriebsmodelle in Asien werde deutlich, dass Deutschland viel zu lange auf den Verbrennungsmotor und PS-starke Fahrzeuge gesetzt habe. Inzwischen gebe es aber auch hierzulande viele Ansätze für eine klimafreundliche und vernetzte Mobilität. Die Verkehrswende in der Region laufe – wenn auch mit Verspätung. Dabei werde es ein Nebeneinander vieler verschiedener Antriebssysteme und Mobilitätskonzepte geben. Diese Vielfalt setze bei intelligenter Gestaltung und Nutzung erhebliche Potenziale frei, fasste Kappenstein abschließend zusammen.

Wasserstoff als Wachstumsthema in der Region

Wie Mitte April bekannt wurde, beabsichtigt die Europäische Union ab dem Jahr 2021 eine Quote für unter anderem saubere Linienbusse vorzuschreiben. Demnach müssen bis 2025 mindestens 22,5 Prozent aller Busse, die neu angeschafft werden, emissionsfrei fahren. In Rhein-Neckar sehe man insbesondere im Bereich solcher großer und schwerer Fahrzeuge wie Bussen, Zügen und Nutzfahrzeugen Vorteile im Wasserstoff. „Für uns ist die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie ein Wachstumsthema. Wir streben in Rhein-Neckar an, zur Modellregion des Wasserstoffs zu werden“, betonte Kappenstein. Dazu wolle man auch die Partnerschaft mit der TechnologieRegion Karlsruhe und der Region Rhein-Main suchen.

Am Nachmittag konnten sich die Teilnehmer der Regionalkonferenz in vier Fachforen mit insgesamt 20 Vorträgen umfassend über Lösungen aus der Region im ÖPNV (z.B. „On Demand-Verkehr“), Antriebstechnologien (z.B. Wasserstoff), Logistik und Güterverkehr (z.B. „Geräuscharme Nachtlogistik“) sowie Mobilitätskonzepte aus stadtplanerischer Sicht (z.B. „Klimafreundliche Mitarbeitermobilität“) informieren.

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