Das Coronavirus hat den Alltag der Menschen komplett ausgehebelt. Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, die sich auf den Alltag ihrer Patienten und Klienten fokussieren, können in der aktuellen Situation sowohl für Einzelne als auch auf der Ebene der Gesellschaft Verbesserungen herbeiführen. Stefanie Völler, Ergotherapeutin im DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.), erklärt das so: „In der Ergotherapie geht es darum, die Menschen so zu befähigen, dass sie eine gesundheitliche, persönliche oder wie auch immer geartete Krise bewältigen, ihren Alltag sinnvoll gestalten und sich positiv entwickeln.“ Die Ergotherapeutin veranschaulicht, wie sie und ihre Berufskolleginnen und -kollegen gemeinsam mit den Betroffenen – im ‚shared decision‘ Prozess– eine Lösung erarbeiten und welche Rolle die Fähigkeiten, Ressourcen und Bedürfnisse des Einzelnen spielen.

Die Menschen in Deutschland sind derzeit wegen der durch das Coronavirus verursachten Krise gefordert wie nie zuvor. „Das fängt bei den berufstätigen Müttern an“, bestätigt die Ergotherapeutin Stefanie Völler. Sie bekommen nahezu ohne Planungsvorlauf zu ihrem ohnehin fordernden Alltag weitere Aufgaben hinzu: Sie nehmen beispielsweise zusätzlich die Rolle der Pädagogin oder Erzieherin ein, müssen parallel zu ihrer beruflichen Tätigkeit im Homeoffice die Kinder betreuen – das ist kaum zu bewältigen. Ergotherapeuten sind unter anderem darin ausgebildet, Strukturen zu analysieren und Veränderungsoptionen aufzuzeigen. „Ich erstelle zunächst ein Betätigungsprofil und schaue, wo sind Räume und Lücken, um die neuen Anforderungen, die an die Mutter gestellt werden, umzusetzen“, sagt Völler. Oft reichen die vorhandenen oder durch Bündeln oder Umstrukturieren geschaffenen Möglichkeiten nicht. Dann finden Ergotherapeuten durch gekonntes Befragen heraus, welche Ressourcen und fördernde Faktoren beispielsweise im sozialen Umfeld vorhanden sind. Barrieren sind zu berücksichtigen, wie etwa, dass Großeltern derzeit besser nicht unterstützen sollten. Oder persönliche Hindernisse, wenn beispielsweise die Mutter einen Teil der Zeit für bestimmte Arbeiten außer Haus muss. Manche entwickeln selbst Ideen. Dennoch: geht es um die eigenen Belange, sind viele regelrecht betriebsblind und finden erst durch gezielte Fragen, Impulse und das Wissen von außen, so wie Ergotherapeuten das tun, zu einer individuellen, für ihre besondere Situation passenden Lösung.

Ergotherapeuten zeigen Verständnis

Sind die einen durch ein Zuviel an Betätigung überfordert, bereitet anderen wiederum das plötzliche Lahmgelegtsein Probleme. In vielen Bereichen sind Geschäfte geschlossen, das Personal freigestellt. Doch was geschieht mit diesen Menschen? Wie geht es weiter und wie können sie ihren eigenen Alltag sinnvoll gestalten und sich so betätigen, dass es ihren besonderen Fähigkeiten und Interessen entspricht, ja vielleicht sogar einen Nutzen hat und ihnen Bestätigung einbringt? Ergotherapeuten gehen einfühlsam und mit größtem Verständnis auf das Individuum ein und vor allem: sie fördern durch ihre Fragen all das zutage, was diese Person ausmacht, was ihr etwas bedeutet, was sie besonders gut kann und klären mit ihr ihre Wertevorstellungen. Viele fühlen sich durch ihre derzeitige Situation gestresst oder hilflos und ausgehebelt. Sie wieder stark zu machen, ist eine Aufgabe, die bei Ergotherapeuten angesiedelt ist. „Es ist die Art und Weise, wie die Betätigungswissenschaft auf den Menschen blickt“, sagt Völler. Jeder hat seine eigenen Bewältigungsstrategien, die ihm jedoch in besonders schwierigen Zeiten nicht unbedingt bewusst sind. Führt der Ergotherapeut ihm diese vor Augen, nimmt die innere Sicherheit, eine Krise bewältigen zu können, wieder zu. Derart befähigt, lässt sich die Gestaltung des eigenen Alltags in einem neuen Kontext erarbeiten.

Ergotherapeuten nehmen andere ernst

Gleichzeitig geht es darum, mit möglichen Ängsten umzugehen. Angst ist zurzeit weit verbreitet; nicht nur bei denjenigen, die von Natur aus ängstlich sind oder an einer Angststörung leiden. Zusätzlich haben viele Menschen existenzielle Ängste, andere fürchten sich vor der großen Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus – insbesondere die, die ein erhöhtes Erkrankungsrisiko haben. Dies alles nehmen Ergotherapeuten sehr ernst und zeigen das auch, indem sie sehr genau auf den Einzelnen eingehen. Sie vermitteln diesen Menschen Strategien, wie sie sich in solchen Momenten besser selbst regulieren können, damit nicht die negativen Gefühle ihren Alltag dominieren. Die Ergotherapeutin empfiehlt: „Es ist wichtig zu wissen und zu trainieren, wie sie einen anderen Blickwinkel bekommen“. Das fängt bei einfachen Regeln an wie Informationen zum Coronavirus ausschließlich aus vertrauenswürdigen Quellen zu nutzen, statt sich durch Falschnachrichten weiter zu belasten. Ebenso zielführend ist es, Achtsamkeits- oder Meditationsübungen zu machen, das eigene Wohlbefinden zuzulassen und an passender Stelle auf das Bauchgefühl zu hören, um im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten eigene Lösungen zu finden, damit alle auch in der Krise die schönen Momente erkennen und das Leben genießen können.

Besonders in Krisen wichtig: die Gemeinschaft stärken

Solidarität, Gemeinschaft und das Miteinander sind Werte, die jetzt, wo ausnahmslos jeder in der selben durch das Coronavirus ausgelösten Krise steckt, eine größere Rolle spielen denn je zuvor. Damit das Miteinander besser funktioniert, nehmen Ergotherapeuten auch im Bereich des Gemeinwesens Aufgaben wahr. Sie initiieren Projekte, bei denen Menschen über gemeinsame Interessen und Fähigkeiten zusammentreffen, was durch die Gefahr der schnellen Ausbreitung des Coronavirus im Moment wohl eher virtuell stattfinden sollte. Oder zeitversetzt. Oder draußen, mit genügend räumlichem Abstand wie beim urban gardening in Hochbeeten an der Straße oder beim Anbau von Obst und Gemüse auf Hochhausdächern. So haben auch Menschen in den Städten die Chance, sich neue Bereiche zu erschließen, Betätigungen, die jetzt etwas wert sind, auszuüben und somit einen erfüllenden Alltag zu erleben. Das ist wichtig und verstärkt dabei ein friedliches Miteinander, bei dem die Gesellschaft zusammenwachsen kann. Denn eine Krise wie Corona lässt sich besser bestehen, wenn der Zusammenhalt und die Menschlichkeit wieder in den Vordergrund rücken.

Ergotherapeuten und Kassenverbände gehen auf besondere individuelle Anforderungen ein

Um das Risiko der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus sowohl für die Ergotherapeuten selbst als auch für deren Patienten und Klienten zu minimieren, pflegt der Verband eine rege Kommunikation mit seinen Mitgliedern, gibt Leitlinien, Informationen und Tipps weiter. Selbstverständliche Regeln, die überall zu beachten sind, gelten auch für den Besuch ergotherapeutischer Praxen. Mit Erkältungssymptomen besser zuhause bleiben ist ebenso wichtig wie eine selbstauferlegte Quarantäne nach Kontakt mit Corona-Infizierten – hier oder in Risikogebieten. Einzeltermine finden statt, aber keine Gruppentherapie. Ebenfalls ist verstärkt auf eine gründliche Handhygiene und generell Hygiene zu achten. Ergotherapeuten ist es wichtig, dass ihre Patienten und Klienten gerade jetzt gut versorgt sind. Da sind Kassen und Ergotherapeuten im Schulterschluss: Die Kassenverbände werden, das ist seit heute bekannt, sehr pragmatisch und lobenswerterweise auch die Kosten für ergotherapeutische Interventionen übernehmen, wenn sie als sogenannte telemedizinische Leistung stattfindet. So sind individuelle Lösungen wie Interventionen über Skype, Video, Telefon und andere Kommunikationskanäle möglich, sofern das aus Behandlungssicht machbar und zielführend ist. Behandlungs- und Telefontermine außerhalb der sonst üblichen Öffnungszeiten sind ein weiteres Zugeständnis der Ergotherapeuten an die durch das Coronavirus bedingte Krisensituation. Daran, dass Ergotherapeuten Hausbesuche machen dürfen, hat sich nichts geändert.

Informationsmaterial zu den vielfältigen Themen der Ergotherapie gibt es bei den Ergotherapeuten vor Ort; Ergotherapeuten in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes im Navigationspunkt Service und Ergotherapeutische Praxen, Suche.

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