Das IVD-Marktforschungsinstitut des IVD Süd e.V. hat am 27.05.2020 auf einer Pressekonferenz den Gewerbemarktbericht „Office/Retail und Investment/ Rendite“ Frühjahr 2020 vorgelegt. Der Bericht kann über www.ivd-sued-shop.de bestellt werden. „Die Ausgangssperre und das nahezu totale Erliegen des Einzelhandels in Folge der Corona-Pandemie zogen nachdrückliche Konsequenzen mit sich“, so Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts. „Zahlreiche Händler erlitten massive Umsatzeinbußen. Infolgedessen setzten viele Filialisten ihre Mietzahlungen aus oder versuchten dies zumindest – teilweise auch solche, die nicht pandemiebedingt schließen mussten.“

Bayern

Der Retailmarkt kennzeichnete sich zum Jahresbeginn 2020 bis vor dem Corona-Lockdown nochmals durch moderate Mietpreisanstiege über alle Marktsegmente hinweg. Am deutlichsten fielen die Zuwächse im 1a-Geschäftskern aus: Kleinere Läden (60 m²) zeigten in der preislichen Entwicklung im Vergleich zu Herbst 2019 mit +2,4 % nach oben, das Mietpreisniveau für größere Ladenlokale (150 m²) stieg um +1,8 %. Mit einem Plus von 1,2 % für größere Geschäfte und 0,4 % für kleinere Ladeneinheiten fielen die Anstiege im 1b- Geschäftskern verhaltener aus.

Auch im Nebenkern konnten durchgängig steigende Mieten verzeichnet werden. Größere Läden (150 m²) verteuerten sich bis Februar 2020 um +1,1 % in 1a-Lagen und +1,9 % in 1b-Lagen. Die Mieten für kleinere Ladeneinheiten (60 m²) wuchsen sowohl im 1a- als auch im 1b-Nebenkern leicht um jeweils +0,4 %.

Auch im Oberbayern-Durchschnitt wiesen die Mieten auf dem Retailmarkt im Februar 2020, also vor Beginn der Pandemie, über alle Lagen hinweg sowohl im Geschäfts- als auch im Nebenkern ein moderat ansteigendes Niveau gegenüber Herbst 2019 auf. Kleinere Läden (60 m²) im 1a-Geschäftskern tendierten mit einem Plus von 2,7 % am deutlichsten nach oben. Seit April geraten die Einzelhandelsmieten deutlich unter Druck.

Die Corona-Pandemie wirkt zunehmend als Katalysator für bereits seit längerer Zeit laufende Veränderungsprozesse. So gerät der stationäre Handel in den diversen Einzelhandelslagen noch mehr unter Druck, als es bereits in der Vor-Corona-Zeit der Fall war. Hierbei entsteht speziell in Nebenkern- und Streulagen die Gefahr zunehmender Leerstände und die Notwendigkeit Konzepte zu entwickeln, nach denen Flächen umgenutzt werden, etwa für Dienstleister. Besonders kritisch ist die Situation für Einzelhandelsunternehmen, die in der Vergangenheit wenig Wert auf eine Onlinepräsenz mittels leistungsfähiger Shops gelegt hatten. Dort wo bereits gut etablierte Onlineshops verfügbar waren, konnte zumindest ein Teil der temporären Rückgänge abgefedert werden.

Eine gute Stimmung auf dem bayerischen Arbeitsmarkt führte in den letzten Jahren zu einem wachsenden Bedarf an Büroflächen und zu steigenden Mieten auf dem Büroimmobilienmarkt. Seit Frühjahr 2010 stiegen die Mietpreise im guten Nutzungswert um +36 %, in der kurzfristigen Betrachtung Herbst 2019 zu Februar 2020 konnten jedoch keine weiteren Zuwächse festgestellt werden.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Arbeitsmarkt bzw. die gesamtwirtschaftliche Lage – die Anzeigen über Kurzarbeit sowie auch die Arbeitslosenzahlen im Freistaat schnellten steil nach oben – sind inzwischen sehr massiv und führen einen klar preisdämpfenden Einfluss auf den Büroimmobilienmarkt mit sich.

Während bereits Jahrzehnte lang über Home-Office bzw. die Verlagerung eines erheblichen Teils der Arbeitszeit in die eigenen vier Wände des Mitarbeiters diskutiert wurde, so wird dies nun in Zeiten der Krise – zumindest temporär – auch großflächig praktiziert. Sicher ist, dass Büroflächen verstärkt dahingehend hinterfragt werden, ob Flächen- und damit Kosteneinsparungen durch Heimarbeit erreichbar sind. Sollte diese auch nach der Pandemie verstärkt ermöglicht werden, so wird sich dies auf den zukünftigen Flächenbedarf der Büromärkte auswirken.

Gleichzeitig ist festzustellen, dass beim Kauf bzw. bei der Anmietung einer Wohnung die Heimarbeit-Tauglichkeit dieser zu einem zunehmend wichtigeren Kriterium wird. Dies muss nicht automatisch ein weiterer Raum sein, was für viele eine ganz erhebliche Mehrbelastung wäre und auch den Druck auf die Wohnungsmärkte erhöhen würde. Vielmehr ist der Fokus darauf gerichtet, inwieweit bestimmte Teile der Wohnung eine Home-Office-Tätigkeit sinnvoll zulassen bzw. unterstützen.

München

Der Münchner Büroimmobilienmarkt war vor dem Ausbruch der Corona-Krise durch eine hohe Nachfrage sowie ein sehr hohes Mietpreisniveau gekennzeichnet. Derzeit sind zahlreiche Bauvorhaben, sowohl in der Landeshauptstadt als auch in deren Umland, in der Umsetzung – ein großer Teil der entstehenden Flächen ist bereits vermietet.

Bis Februar 2020 zogen die Preise über fast alle Lagen zum Teil nochmals deutlich an, jedoch in sehr unterschiedlichem Maße. In den City-Lagen – also innerhalb des Mittleren Rings – verteuerten sich die Büromieten gegenüber Herbst 2019 um +1,5 % (A-Lage) bzw. +6,4 % (B-Lage). Ebenso konnten im Suburb-Bereich in B-Lagen (außerhalb des Mittleren Rings, innerhalb einer Streulage) mit +7,7 % sehr deutliche Zuwächse beobachtet werden, während das Preisniveau in A-Lagen (außerhalb des Mittleren Rings, innerhalb einer Büroagglomeration) konstant blieb.

Baugrundstücke sowohl im Wohn- als auch Gewerbebereich sind in München Mangelware. Dies hat in der Vergangenheit zu markanten Teuerungsraten geführt. Bis Februar 2020 haben die Preise für Bürogrundstücke/Grundstücke für gewerbliche Nutzung gegenüber Herbst 2019 erneut deutlich angezogen und lagen bei einem Zuwachs von +9,1 %. „Diese Zahl belegt eindrucksvoll wie hoch der Nachfragedruck in diesem Marktsegment war“, erklärt Prof. Stephan Kippes. „In Folge der Corona-Krise wird sich dieser allerdings erst einmal deutlich reduzieren.“

Auf dem Retailmarkt der Landeshauptstadt konnten im Februar 2020, wie bereits im Herbst 2019, keine weiteren Mietsteigerungen verzeichnet werden. Das Preisniveau blieb über fast alle Lagen auf einem konstant hohen Niveau. Deutliche Einbußen konnten in 1b-Nebenkernlagen sowie in Stadtrandlagen beobachtet werden.

Der stationäre Handel leidet derzeit enorm unter den strikten Ausgangsbeschränkungen sowie vorübergehenden Ladenschließungen in Folge der Corona-Krise. Die Auswirkungen dieser Restriktionen spiegeln sich auch deutlich in der PassantenFrequenz in den Top-Einkaufsmeilen der Landeshauptstadt wider.

Während am Samstag, dem 7. März noch 106.860 Passenten in der Münchner Kaufingerstraße gezählt wurden, so sank die Frequenz in der Folgezeit deutlich. Am Samstag, dem 21. März – hier setzten die strengen Einschränkungen im Freistaat ein – wurde mit lediglich 1.335 gezählten Passanten schließlich der Tiefpunkt erreicht. Ein spürbarer Anstieg der Passantenzahlen konnte erst ab Ende April in Folge der bayernweiten Lockerungen beobachtet werden.*

Vor dem Hintergrund, dass viele Händler ihre Ladenmieten nicht mehr bzw. kaum mehr bezahlen können, dürfte der Leerstand, speziell in Nebenkern- und Streulagen, in den kommenden Monaten zunehmen. Unter diesen Umständen könnte sich der Wunsch nach kürzeren Verträgen (2-3 Jahre) weiter verstärken, mit dem Ziel die Mietbelastung zu reduzieren. Um Leerstände zu vermeiden, wächst auf Vermieter der Druck, auch im eigenen Interesse Kompromisse einzugehen.

Auf dem Münchner Investmentmarkt verzeichneten im Betrachtungszeitraum Herbst 2019 zu Februar 2020 erneut alle Anlageobjekte spürbare Zuwächse. Die Multiplikatoren für Mietwohnhäuser stiegen jeweils um +2,6 % (Baujahr vor 1950 und Baujahr nach 1950).

Die Multiplikatoren für gewerbliche Anlageobjekte erhöhten sich für Cityobjekte/Handelsimmobilien um +1,2 % in 1a-Lagen sowie um +1,5 % in 1b-Lagen. Bei Büroobjekten betrugen die Steigerungsraten der Multiplikatoren +2,9 % in City A-Lagen und +6,5 % in City B-Lagen. Logistikimmobilien konnten mit einem Plus von 2,1 % den deutlichen Anstieg von Herbst 2019 nicht mehr bestätigen. Investoren beobachten den Markt derzeit sehr genau, um Geld im sicheren Hafen von Immobilieninvestments unterbringen zu können und um Chancen, die sich aus den pandemiebedingten Verwerfungen am Markt ergeben, kurzfristig nutzen zu können.

Die Nachfrage auf dem Münchner Logistikmarkt ist ungebrochen. Allerdings hinken die Neubautätigkeiten im Vergleich zu anderen Top-Standorten hinterher. Schon vor der Corona-Krise war der Markt geprägt von einer Flächenknappheit – der Bedarf an Lagerflächen kletterte jedoch mit Beginn der Pandemie nochmals schlagartig nach oben. Um sich zukünftig vor Abhängigkeiten und Lieferengpässen zu schützen, möchten Unternehmen vermehrt ihre Lagerkapazitäten ausweiten.

Im Einzelnen berichtet Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, von folgenden marktrelevanten Tendenzen:

  • Gewerbeanzeigen rückläufig: War im Jahresvergleich 2018 zu 2019 die Zahl der Gewerbeanmeldungen noch relativ konstant (-0,6 %), so wurden im März 2020 bayernweit lediglich 7.364 Gewerbebetriebe angemeldet
    (-28,3 % gegenüber März 2019).
  • Noch kein krisenbedingter Anstieg von Betriebsaufgaben erkennbar: Eine ansteigende Zahl an Abmeldungen von Gewerbebetrieben konnte im März 2020 nicht beobachtet werden: Im Vergleich zum Vorjahresmonat sank die Zahl der Gewerbeabmeldungen sogar spürbar auf 6.158 (-23,7 %). In welchem Maße es in Folge der Corona-Krise vermehrt zu Betriebsaufgaben kommen wird, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen
  • Bautätigkeit bei Büro- und Verwaltungsgebäuden rückläufig: 2019 wurden in Bayern 397 Baugenehmigungen für Büro- und Verwaltungsgebäude erteilt (-1,5 % gegenüber 2018). Stark rückläufig war die Zahl der Baufertigstellungen – lediglich 349 Gebäude wurden 2019 fertiggestellt (-7,7 %).
  • Deutlich reduzierte Bautätigkeit bei Handels- und Lagergebäuden: Markant rückläufig im Jahresvergleich 2018 zu 2019 waren sowohl die Anzahl der Baugenehmigungen als auch die Anzahl der Baufertigstellungen für Handels- und Lagegebäude. Bayernweit wurden 1.922 Gebäude genehmigt (-6,2 %) bei gleichzeitig 1.743 Fertigstellungen (-6,4 %).
  • Arbeitsmarkt leidet unter Corona-Krise: Im April 2020 waren bayernweit 271.853 Erwerbslose registriert. Im Vergleich zum Vorjahresmonat bedeutet dies einen sprunghaften Anstieg von +33,2 %. Die Arbeitslosenquote im Freistaat lag im April 2020 bei 3,6 %. Einen vehementen Zuwachs erfuhren außerdem die Anzeigen über Kurzarbeit: Im März 2020 wurden bayernweit 16.158 Anträge gezählt (März 2019: 108 Anzeigen), in denen 340.986 Personen genannt wurden.

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