Die Goethe-Medaille, offizielles Ehrenzeichen der Bundesrepublik Deutschland, geht 2020 an die bolivianische multidisziplinäre Künstlerin Elvira Espejo Ayca, den britischen Schriftsteller Ian McEwan und die südafrikanische Schriftstellerin, Verlegerin und Kuratorin Zukiswa Wanner. Das Goethe-Institut ehrt damit ihr herausragendes Engagement im internationalen Kulturaustausch. Die Preisträger*innen geben einzigartige Beispiele für die Kraft kritisch reflektierender Kunst und des Mottos der Preisvergabe 2020 „Widerspruch ertragen – der Ertrag des Widerspruchs“. In diesem Jahr können die Preisträger*innen aufgrund der Corona-Pandemie nicht zum Festakt nach Weimar reisen, der traditionell am 28. August, dem Geburtstag Johann Wolfgang von Goethes, stattfindet. Das Goethe-Institut plant daher gemeinsam mit der Deutschen Welle einen digitalen Festakt für ein weltweites Publikum – mit Interviews und Gesprächen, Würdigungen, Filmporträts und Musik.

Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts: „Die Corona-Krise ist mehr als ein virologisches Phänomen. Sie verändert durch gegenseitige Abschottung, Desinformation und Widersprüche die Gesellschaften. Dieser Entwicklung wollen wir trotzen und nicht auf die Verleihung der Goethe-Medaille verzichten. Wir verstärken das Verbindende mit einem grenzüberschreitenden digitalen Netzwerk der Kultur und werden so als Ertrag des Widerspruchs neue Alternativen und Prozesse gewinnen.“

DW-Intendant Peter Limbourg: „Seit Jahrzehnten fördern Goethe-Institut und DW den internationalen Kulturaustausch, und die Goethe-Medaille würdigt herausragende Künstler*innen und Vordenker*innen in diesem Bereich. Für die DW ist es eine Ehre und große Freude, den drei beeindruckenden Persönlichkeiten durch eine multimediale und mehrsprachige Berichterstattung die verdiente Aufmerksamkeit zu verschaffen und weltweit kulturinteressierte Menschen an der Preisverleihung teilhaben zu lassen.“

Im Mittelpunkt des Festakts stehen drei Kurzfilme, die Elvira Espejo Ayca, Ian McEwan und Zukiswa Wanner sowie ihre Wirkungsstätten in Bolivien, England und Südafrika vorstellen. Dazu ist ein Gespräch mit Klaus-Dieter Lehmann und den Preisträger*innen geplant. Drei prominente Laudatorinnen würdigen sie: Barbara Göbel, Ethnologin und Direktorin des Ibero-Amerikanischen Instituts Berlin (Elvira Espejo Ayca), die Journalistin und Autorin Franziska Augstein (Ian McEwan) sowie die Schriftstellerin und Verlegerin Zoë Beck (Zukiswa Wanner). Studierende und Lehrende der Musikhochschule Franz Liszt Weimar, unter der Leitung von Tiago de Oliveira Pinto, bieten musikalische Kompositionen, die sie speziell für die Preisträger*innen ausgesucht und geschaffen haben.

Das Goethe-Institut zeigt den digitalen Festakt zur Goethe-Medaille am 28. August um 11 Uhr MEZ auf der Webseite www.goethe.de/goethe-medaille, die Deutsche Welle auf dem Kanal youtube/DWBooks und präsentiert die Preisträger*innen außerdem in ihren mehrsprachigen Fernsehprogrammen.

Darüber hinaus wird 3sat Kulturzeit die Preisträger*innen am 28. August in der Sendung Kulturzeit vorstellen und auf der Website unter www.3sat.de/kulturzeit.

Informationen zur Goethe-Medaille und eine Übersicht der bisherigen Preisträger*innen finden Sie unter: www.goethe.de/goethe-medaille

Die Begründung der Preisvergabe

Elvira Espejo Ayca, geboren 1981 in Bolivien, ist Künstlerin – Dichterin, Essayistin, Musikerin, Weberin – und war von 2013 bis 2020 Direktorin des National Museum of Ethnography and Folklore (MUSEF) in La Paz. Die Kommission der Goethe-Medaille ehrt Elvira Espejo Ayca als „wahre Brückenbauerin, die wertvolle kulturelle Vermittlungsarbeit leistet: zwischen Lateinamerika und Europa, dem modernen Bolivien und seiner kolonialen Vergangenheit, zwischen den eigenen indigenen Traditionen und anderen Kulturen, zwischen den künstlerischen Disziplinen und Generationen. In der Auseinandersetzung mit Ambivalenzen entwickelt sie ihre besondere kreative Kraft.“ Ian McEwan, geboren 1948 in England, ist einer der bedeutendsten, international geachtetsten Gegenwartsschriftsteller. „Sein literarisches Schaffen ist vom Wesen des Widerspruchs und der kritischen, tiefenpsychologischen Reflexion gesamtgesellschaftlicher Phänomene durchdrungen wie etwa den Themen Klimawandel, künstliche Intelligenz und Moral in der Wissenschaft. Trotz harscher Angriffe im eigenen Land setzt er sich offen gegen engstirnige Nationalismen ein und tritt als leidenschaftlicher Pro-Europäer auf“, heißt es in der Begründung der Jury. Zukiswa Wanner, 1976 in Sambia geboren, ist Schriftstellerin, Journalistin und Verlegerin. „Ihr Selbstverständnis als ‚African writer‘ bedeutet, über nationale Grenzen hinaus zu schreiben und zugleich die Vielfalt afrikanischer Kulturen in die künstlerische Arbeit einfließen zu lassen. Ihre detaillierte Kenntnis der südafrikanischen Literatur wie auch ihr differenziertes Verständnis für regionale Diskurse und afrikanische weibliche Identität machen sie zu einer international gefragten Expertin und zum Vorbild einer ganzen Generation afrikanischer Schriftsteller*innen“, so die Jury.

Über die Preisträger*innen 2020

Elvira Espejo Ayca, geboren 1981 in der Provinz Avaroa im Department Oruro, Bolivien, wuchs in einem indigenen Dorfverband auf. Früh wehrte sie sich gegen traditionelle Konventionen, die ihr eine höhere Bildung und berufliche Qualifikation untersagten. Ihre Entscheidung für Bildung und Beruf führte zum Bruch mit ihrer Familie und ihrem Dorf. 2004 studierte sie Kunst an der Akademie der schönen Künste „Hernando Siles“ in La Paz. Ihre indigenen Wurzeln vergaß sie nie, sondern flocht sie immer wieder in ihre Arbeiten und Projekte ein. 2005 war sie Ko-Dozentin für „nicht-geschriebene Sprachen in den Anden“ im Programm „Duke en los Andes“. In Zusammenarbeit mit dem Musiker Álvaro Montenegro nahm sie traditionelle Gesänge und Dialoge indigener und urbaner Musikinstrumente auf. 2010 bis 2011 beteiligte sie sich an der Ausstellung „Das Potosí Prinzip“ im Haus der Kulturen der Welt mit anschließenden Stationen in Spanien und Bolivien. Darauf wurde sie Mitglied im Direktorium des Instituto de Lengua y Cultura Aymara (ILCA) und 2013 Direktorin des MUSEF in La Paz, das sie zu einem der wichtigsten Kulturtreffpunkte Boliviens gemacht hat.

Ian McEwan, geboren 1948 im englischen Aldershot, wuchs als Sohn eines schottischen Majors u.a. in Singapur, Libyen und Deutschland auf, studierte englische Literatur an der University of Sussex in Brighton sowie an der University of East Anglia in Norwich. Ian McEwan ist heute einer der renommiertesten Gegenwartsschriftsteller und wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, darunter dem Man Booker Prize, dem National Book Critics Circle Award oder dem Los Angeles Times Book Prize. Zwölf seiner Erzählungen wurden verfilmt, u.a. „Abbitte“ (2007), der sieben Oscar-Nominierungen erhielt. Im Jahr 2000 wurde Ian McEwan der britische Ritterorden Commander of the Order of the British Empire (CBE) verliehen. 2011 erhielt er den Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft. Auch im deutschsprachigen Raum wurden ihm bedeutende Preise zuerkannt wie der Shakespeare Preis der Alfred-Toepfer-Stiftung für sein Gesamtwerk (1999) oder der Deutsche Bücherpreis (2003). Mehr als zwanzig seiner Werke sind in deutscher Sprache im Diogenes Verlag erschienen.

Zukiswa Wanner, geboren 1976 in Lusaka, Demokratische Republik Sambia, ist Schriftstellerin, Journalistin, Verlegerin und Kuratorin. Nach ihrer schulischen Ausbildung in Simbabwe studierte sie Journalismus an der Hawaii Pacific University in Honolulu. Seit 2006 wirkt sie als Autorin und Förderin der afrikanischen Literatur. Neben fiktionalen Texten für Kinder und Erwachsene veröffentlichte sie Reportagen, Essays und Reiseberichte, die in internationalen Zeitungen und Magazinen erschienen (The Guardian, Observer, Juice, Elle, u.v.m.). Sie ist Ko-Autorin der Nelson Mandela-Biographie „A Prisoner’s Home“ (Penguin 2010). Gemeinsam mit dem Goethe-Institut Nairobi, Kenia, entwickelte sie die grenzüberschreitende Reihe „Artistic Encounters“, die afrikanische Wort-Künstler*innen mit anderen Kunstsparten in Austausch brachte. Zudem kuratierte sie das „Afro Young Adult“-Projekt und initiierte Schreib-Workshops für Kurzgeschichten. Das renommierte Hay Festival kürte Zukiswa Wanner 2014 zu einer der bedeutendsten afrikanischen Autorinnen. 2018 gründete sie zusammen mit Nomavuso Vokwana ihren eigenen Verlag „Paivapo“. Aktuell kuratiert sie das virtuelle Literaturfest „AfrolitSansFrontières“, an dem sechzehn Schriftsteller*innen aus zehn afrikanischen Staaten teilnehmen.

Über die Goethe-Medaille

Die Goethe-Medaille wurde 1954 vom Vorstand des Goethe-Instituts gestiftet und 1975 von der Bundesrepublik Deutschland als offizielles Ehrenzeichen anerkannt. Die Verleihung findet am 28. August, dem Geburtstag Goethes, in Weimar statt. Gemeinsam mit dem Kunstfest Weimar richtet das Goethe-Institut ein Begleitprogramm aus. Seit der ersten Verleihung 1955 sind insgesamt 354 Persönlichkeiten aus 67 Ländern geehrt worden, darunter Daniel Barenboim, Pierre Bourdieu, David Cornwell alias John le Carré, Sir Ernst Gombrich, Lars Gustafsson, Ágnes Heller, Petros Markaris, Sir Karl Raimund Popper, Jorge Semprún, Robert Wilson, Neil MacGregor, Helen Wolff, Juri Andruchowytsch oder Irina Scherbakowa.

Die Kommission der Goethe-Medaille

Dr. Franziska Augstein (Journalistin, Süddeutsche Zeitung), Prof. Dr. Christina von Braun (Vorsitzende und Vertretung des Präsidiums, Kulturwissenschaftlerin, Humboldt-Universität zu Berlin), Dr. Meret Forster (Redaktionsleiterin Musik, BR-Klassik), Dr. Anselm Franke (Kurator, Leitung Bereich Bildende Kunst und Film, Haus der Kulturen der Welt), Dr. Ina Hartwig (Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main, Literaturkritikerin), Prof. Dr. Ursula von Keitz (Filmwissenschaftlerin, Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf), Ulrich Khuon (Intendant, Deutsches Theater), Eva Menasse (Schriftstellerin), Moritz Müller-Wirth (Journalist, Die Zeit), Elisabeth Ruge (Autorin, Verlegerin und Literaturagentin); in Vertretung des Auswärtigen Amtes: MinDirig Dr. Andreas Görgen (Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation Auswärtiges Amt); in Vertretung des Goethe-Instituts: Prof. Dr. h.c. Klaus-Dieter Lehmann (Präsident des Goethe-Instituts), Johannes Ebert (Generalsekretär des Goethe-Instituts)

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