Im August 2020 wurden im Rahmen von Bauarbeiten im Garten des Kunsthaus Dahlem zwei Marmorplastiken gefunden. Ein Werk konnte durch die Mitarbeiterinnen des Kunsthaus Dahlem unmittelbar nach Auffindung als Arno Brekers verschollene Skulptur Romanichel von 1940 identifiziert werden. Das Werk ist leicht beschädigt – der Schaden entstand vermutlich zum Zeitpunkt der Vergrabung. Die Zuordnung des zweiten Werkes sowie die Erforschung der Fundumstände sind in Bearbeitung. 
Nach der Funderfassung durch das Landesdenkmalamt und einer Begutachtung durch Thomas Lucker von der Restaurierungswerkstatt RAO – Restaurierung am Oberbaum wurden beide Objekte zur Präsentation in den Ausstellungsbereich des Kunsthaus Dahlem gebracht, wo sie ab sofort bis zum 15. Januar 2021 zu sehen sind (mit Unterbrechung durch einen Ausstellungsumbau vom 19. bis 30. Oktober 2020).

Die Zuordnung des zweiten Werkes sowie die Erforschung der Fundumstände sind in Bearbeitung. Der Bildhauer Arno Breker, für den das heutige Kunsthaus Dahlem von 1939 bis 1942 als Atelier gebaut wurde, arbeitete hier nur kurz. Bereits 1943 war das Gebäude durch Luftangriffe beschädigt worden, so dass eine weitere Nutzung nicht mehr möglich war.

Nach dem Krieg zogen sowjetische Besatzungstruppen für einige Wochen in das Gebäude ein, ab Sommer 1945 diente es für ein Jahr als Büro der US-Militärverwaltung. Die noch auf dem Gelände befindlichen Werke Brekers wurden 1946 in die nahe gelegene Sammelstelle des Völkerkunde-Museums in Dahlem überführt. Es ist daher anzunehmen, dass die beiden nun wiedergefundenen Skulpturen begraben wurden, als die amerikanischen Besatzungstruppen das Gelände aufräumten.

Über das identifizierte Werk

Arno Breker: Romanichel (1940), Marmor, 90 x 68 x 60 cm

Bei der Plastik handelt es sich um einen überlebensgroßen Porträt-Kopf aus weißem Marmor, wobei lediglich die Gesichts- und vorderen Halspartien aus den Steinblöcken herausgearbeitet wurden. Die Oberfläche des sorgfältig ausgearbeiteten Gesichts ist fein geschliffen, während Haarpartien, seitlich zurückgesetzte Flächen und der untere plinthenartig nach vorne auslaufende Bereich grob gespitzt sind. Am Objekt sind Aufnahmepunkte für eine Punktiermaschine erhalten. Es ist daher davon auszugehen, dass die Übertragung von 1:1 (Gips-)Modellen erfolgte. Entsprechende Messpunkte aus dem Übertragungsprozess sind ebenfalls erhalten. Das Objekt weist Fehlbereiche in der Nasen- und Mundpartie auf. 

Anhand historischer Fotografien konnte das Objekt zweifelsfrei als die bekannte Plastik Romanichel (1940) von Arno Breker identifiziert werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach entstand das Werk in Brekers Atelier am Käuzchensteig. Es gilt als eines der wichtigsten Beispiele von Brekers Porträttorsi. 

Bei dem Dargestellten handelt es sich um einen jungen Sinto oder Rom, dessen Name nicht überliefert ist. Breker begegnete ihm in den 1920er Jahren in Paris und porträtierte ihn mehrfach, eine erste Fassung entstand Ende der 1920er Jahre. Über seine Begegnung mit dem jungen Mann, der sich im Freundeskreis um Jean Cocteau bewegte, schrieb Breker: „Sein Kopf faszinierte mich sofort, noch am gleichen Tag begannen die Sitzungen. Nicht weniger als sieben Büsten modellierte ich nach ihm.  (…) Unter meinen Pariser Freunden fand sich ein Filmoperateur, der zwei dieser neuen Büsten in meinem Atelier sah. Begeistert vom seltsamen Ausdruck, der an Amenophis erinnerte, holte man das Modell, um Probeaufnahmen zu machen.“ 

Gegenüber der impressionistischen ersten Fassung des Porträts ist die spätere Fassung in klassizistischer Manier geglättet und entspricht damit dem Kontext von Brekers Werk der 1930er Jahre. Was Breker dazu bewog, das Thema um 1940 noch einmal aufzugreifen, ist unbekannt; vielleicht war es die Gelegenheit, den Kopf nun in einem monumentalen Format auszuführen. Heute sind mehrere Plastiken gleicher Gestaltungsart bekannt: Dazu gehören Demetra Messala von 1933 und Andacht  von 1937. Romanichel übertrifft jedoch sogar deren Expressivität.

Über die noch nicht identifizierte Plastik

Marmor, 86 x 57 x 52 cm

Bei dieser Plastik handelt es sich ebenfalls um einen überlebensgroßen Porträt-Kopf aus weißem Marmor. Auch hier wurden  lediglich die Gesichts- und vorderen Halspartien aus den Steinblöcken herausgearbeitet. Die Oberfläche des sorgfältig ausgearbeiteten Gesichts ist fein poliert, während Haarpartien, seitlich zurückgesetzte Flächen und der unteren plinthenartig nach vorne auslaufende Bereich grob gespitzt sind. Im Bereich der Plinthe sind große Bruchflächen zu bemerken, die von Gewalteinwirkungen vor der Vergrabung zeugen.

In gleicher Gestaltungsweise ähnelt die Plastik dem oben beschriebenen Romanichel. Dargestellt ist der Kopf einer männlichen Figur mit geschlossenen Augen und aufgerissenem Mund. Die laufenden Forschungen zum Objekt unternehmen den Versuch, das Werk zu identifizieren und die Umstände des Fundes aufzuklären.

Über Kunsthaus Dahlem

Das Kunsthaus Dahlem wurde 2015 im ehemaligen Staatsatelier des Bildhauers Arno Breker eröffnet, unmittelbar am Grunewald in direkter Nachbarschaft des Brücke Museums gelegen. Unter der künstlerischen Leitung von Dr. Dorothea Schöne widmet sich das Programm der Kunst der deutschen Nachkriegsmoderne in Ost und West mit einem ausdrücklichen Schwerpunkt auf der Bildhauerei. Zusätzlich zu den Ausstellungen finden hier regelmäßig Kuratorenführungen, Konzerte, Lesungen, Vorträge und Workshops statt.

Angesichts des historisch brisanten Ortes liegt ein besonderer Schwerpunkt der Programmgestaltung auf der bisweilen problematischen Beziehung von Kunst und Politik. Das Haus bemüht sich aktiv um eine Aufarbeitung der NS-Geschichte – sowohl durch die Erforschung der eigenen Bau- und Nutzungsgeschichte, als auch durch die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Leben und Werk von Künstler*innen, die in der NS-Diktatur Verfemung und Verfolgung ausgesetzt waren.

Das Gebäude wurde zwischen 1939 und 1942 im Rahmen der Baumaßnahmen für die geplante Hauptstadt Germania errichtet und ist heute das einzige dauerhaft zugängliche Künstleratelier aus der NS-Zeit. 1949 zog der Bildhauer Bernhard Heiliger in den Ostflügel des Gebäudes, wo er bis zu seinem Tod 1995 lebte und arbeitete. Heute finden Besucher*innen eine Auswahl seiner Werke sowohl im Ausstellungsraum, als auch im angrenzenden Skulpturengarten.

In den 1970er Jahren wurden im ehemaligen Breker-Atelier Arbeitsstätten für Künstler*innen eingerichtet, die bis 2008 über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und den Berliner Kultursenat vergeben wurden. Namhafte Künstler*innen aus aller Welt wie Armando, Ouhi Cha, Jimmie Durham, Ayşe Erkmen, Dorothy Iannone, Jean Robert Ipoustéguy, Emmett Williams, Zhu Jinshi und Qin Yufen wirkten in diesen Räumen.

Träger des Kunsthaus Dahlem ist die 2013 gegründete Atelierhaus Dahlem gGmbH. Unterstützt wird das Kunsthaus durch eine institutionelle Förderung der Senatsverwaltung für Kultur und Europa des Landes Berlin.

Aufarbeitung und Erfassung des Skulpturenfundes erfolgen in Zusammenarbeit mit

Senatsverwaltung für Kultur und Europa Landesdenkmalamt Berlin

und mit freundlicher Unterstützung von

RAO Restaurierung am Oberbaum Freundeskreis Kunsthaus Dahlem – Bernhard Heiliger e.V.

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