Abtreibung ist ein Thema, auch im Film. Aber anders als der inzwischen in der Gesellschaft und insbesondere in der Politik zum „Konsens“ erhobenen Meinung, dass Abtreibung zwar ein Drama, aber unvermeidlich sei, entscheidet sich die überwiegende Mehrheit der in Spielfilmen dargestellten, ungewollt Schwangeren für das Kind. Seit Jason Reitman, dessen Film „Juno“ (2007) mit dem Oscar für das beste Originaldrehbuch ausgezeichnet wurde, eine 16-jährige Schwangere eine Abtreibungsklinik aufsuchte, es sich dann aber doch anders überlegte, wurden eine ganze Reihe Filme gedreht, in denen sich junge, ungewollt schwanger gewordene Frauen allen Schwierigkeiten zum Trotz gegen die Abtreibung entscheiden. Dies haben sowohl klischeehafte Hollywood-Komödien – „Beim ersten Mal“ („Knocked Up“, 2007) oder „Jennas Kuchen“ („Waitress“, 2007) – mit ausdrücklich an 14- bis 18-Jährige gerichteten Filmen gemeinsam, als auch der schwedische „Ciao Bella“ (2007), in dem eine 17-Jährige von ihrer Umgebung so sehr zur Abtreibung gedrängt wird, dass sie in einem bestimmten Augenblick eine „Pille danach“ in den Mund steckt, dann aber schleunigst wieder herausnimmt. Noch eindrücklicher nehmen sich Dokumentarfilme aus, etwa Cornelia Grünbergs „Vierzehn – Erwachsen in 9 Monaten“ (2013), in dem die Regisseurin vier Mädchen begleitet, die mit 14 Jahren schwanger wurden und sich die Abtreibungsfrage stellten, dann aber sich doch für ihr ungeplantes Kind entschieden.

Für ihr ungeborenes Kind entscheidet sich gegen das Drängen ihrer Mutter im deutschen Spielfilm „Am Himmel der Tag“ (2012) eine 25-Jährige, die kurz vor Studienabschluss schwanger wird, genauso wie die von Annette Frier dargestellte Frau im Fernsehfilm „Nur eine Handvoll Leben“ (2016), die ihr Kind austrägt, obwohl es an „Trisomie 18“ („Edward-Syndrom“) leidet und nur wenige Tage zu leben hat. Im französischen Spielfilm „Das unerwartete Glück der Familie Payan“ (2016) ist es gar eine 49-jährige Großmutter, die unerwartet schwanger wird. Auch sie stellt sich die Frage nach einer Abtreibung ernsthaft, entscheidet sich jedoch für das ungeplante Kind.

Gegenüber den zahlreichen Filmen, die für das ungeborene Kind auch in schwierigen Situationen werben, gibt es vereinzelt Spielfilme, die für die Abtreibung Partei ergreifen. Besonders bekannt wurde Mike Leighs, für den Oscar nominierter Streifen „Vera Drake. Frau und Mutter“ (2003). Der Film handelt von einer „herzensguten“ älteren Frau, die in den 1950er Jahren jungen Frauen abtreiben hilft. Die etwas abgedroschene These des Films: Ein Abtreibungsverbot führe nur zu illegalen Abtreibungen, die unter großen Risiken von Kurpfuschern wie Vera Drake vorgenommen werden. Komplexer ist die Notlage einer minderjährigen Schwangeren sowohl in „Vier Monate, drei Wochen und zwei Tage“ (2007), der im Rumänien der Ceausescu-Ära angesiedelt ist, als auch im aktuellen US-amerikanischen „Niemals. Selten. Manchmal. Immer“ (2020): In so unterschiedlichen Gesellschaftsformen wie das Ceausescu-Rumänien und die heutigen Vereinigten Staaten findet jeweils eine 17-Jährige keinen anderen Ausweg, als eine Abtreibung. Ein Plädoyer für die Abtreibung sind die beiden Filme jedoch nicht, weil sie als Teil der von den jungen Frauen erlittenen sexuellen Gewalt und gar nicht als „Lösung“ angesehen wird.

Einen eigentlichen Gegensatz zu dem anfangs erwähnten Trend – die Frau, die alle Hindernisse überwindet, um „Ja“ zu ihrem ungeborenen Kind zu sagen –, der von 2007 bis 2016 in zahlreichen Filmen zu beobachten ist, stellt erst der deutsche Berlinale-Beitrag „24 Wochen“ (2016) dar: Die Mutter einer 9-Jährigen freut sich zunächst auf ihr zweites Kind, selbst als es sich herausstellt, dass es an Down-Syndrom leidet. Als jedoch die Ärzte noch einen schweren Herzfehler diagnostizieren, kommt sie ins Schwanken und entscheidet sich letztlich für eine Spätabtreibung in der 24. Woche. Moralische Bedenken schiebt die Mutter schnell beiseite. Ihre Entscheidung wird auch dadurch begünstigt, dass sie sowohl von Ärzten als auch von ihrer Mutter allein gelassen wird, denn ihnen geht es lediglich darum, das Problem „aus der Welt zu schaffen.“

In dem Zusammenhang nimmt sich der Spielfilm „Unplanned“ besonders aussagekräftig aus, weil er die wahre Geschichte von Abby Jonson erzählt, die neun Jahre lang für eine der größten Abtreibungsorganisationen in den Vereinigten Staaten arbeitete. Abby, die selbst zweimal abgetrieben hatte, begann 2001 bei der „Planned Parenthood“-Klinik in der texanischen Kleinstadt Bryan ehrenamtlich zu arbeiten. Später wurde sie fest angestellt und stieg zu deren Leiterin auf. Die „Mitarbeiterin des Jahres“ 2008 trat im Oktober 2009 zurück. Bald darauf begann Abby, sich in der Lebensrechtsbewegung, zunächst in der lokalen „Coalition for Life“ (später in „40 Days for Life“ umbenannt) zu engagieren. Diese Erlebnisse verarbeitete sie in dem im Januar 2011 erschienenen Buch „Unplanned“, das wiederum für den gleichnamigen Spielfilm als Vorlage diente. 

„Unplanned“ beginnt mit einem Paukenschlag, dem Ereignis, das für Abby Johnson „alles veränderte“: Erstmals ist sie selbst an einer vorgeburtlichen Kindstötung beteiligt. Die Erfahrung, den Todeskampf eines ungeborenen Kindes in der 13. Schwangerschaftswoche gesehen zu haben, wird in dramaturgischer Zuspitzung als der Augenblick dargestellt, als Abby eine lebensverändernde Entscheidung trifft. Die schonungslose Darstellung der Abtreibung führte freilich dazu, dass „Unplanned“ in den Vereinigten Staaten die Altersfreigabe „R“ („Restricted“) erhielt: Jugendliche unter 17 Jahren dürfen den Film nur in Begleitung eines Erziehungsberechtigten sehen. In Deutschland erteilte ihm die „Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft“ fsk die Freigabe ab 16 Jahren.

Die Handlung von „Unplanned“, die als Rückblende erzählt wird, verdeutlicht jedoch, dass dieses Erlebnis der sprichwörtliche Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte. Abby kommt laut der Filmhandlung zum ersten Mal ins Grübeln bei einer Feier, die ihre Kolleginnen aus der Abtreibungsklinik für sie organisieren, als sie schwanger wird: „Wir feierten zwei Stunden lang meine Schwangerschaft (…), nachdem wir vorher 38 Schwangerschaftsabbrüche innerhalb von vier Stunden hinter uns gebracht hatten.“ Echte Zweifel über die wahren Ziele von „Planned Parenthood“ kommen Abby denn auch ausgerechnet, als sie bei einem Treffen der texanischen Klinikleiterinnen des Konzerns zur „Mitarbeiterin des Jahres“ ausgezeichnet wird. Denn dabei eröffnet die Texas-Chefin den Plan, dass „Planned Parenthood“ die „größte Klinik der westlichen Hemisphäre“ bauen will, und dafür die Zahl der durchzuführenden Abtreibungen verdoppelt werden solle. Gegen Abbys Einspruch, dass die Organisation als gemeinnützig eingestuft sei, antwortet Cheryl: „Gemeinnützigkeit ist ein Steuermodell und kein Geschäftsmodell“. Unumwunden gibt sie zu: „Die Abtreibungen bezahlen Ihr Gehalt“. 

Obwohl „Unplanned“ den Kunstgriff der Off-Stimme überstrapaziert und die Musik teils erdrückt, überzeugt der Film durch seine Dramaturgie, die als Läuterungsgeschichte der einstigen „pro choice“- in eine „pro life“-Aktivistin dargestellt wird. Dies stellt einen klassischen Kinostoff dar, der große Emotionalität ausstrahlt. 

Trotz R-Altersfreigabe und sonstiger Hindernisse bei der Vermarktung des Filmes – so gut wie alle Fernsehsender in den Vereinigten Staaten verweigerten die Ausstrahlung des Werbe-Trailers, Twitter schloss die Seite von „Unplanned“ an dessen Premierentag – setzte „Unplanned“ auf dem US-amerikanischen Markt bisher mehr als 19 Millionen Dollar um (bei Produktionskosten von ca. 6 Millionen Dollar). Nachdem sich in Deutschland erst wenige Kinos bereits erklärten, den Film zu spielen, wird „Unplanned“ vorwiegend als DVD verbreitet.

„Unplanned“, Regie: Chuck Konzelman, Cary Solomon, USA 2020, 105 Minuten (FSK: ab 16 Jahren). EAN 4051238076967, EUR 15,00.

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=Rg6ksM5VffM

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