Die durch die Pandemie gerissenen Finanzlücken in diesem und nächsten Jahr – die sich alleine für den Bund in einer Rekordneuverschuldung von rund EUR 218 Mrd. bzw. EUR 96 Mrd. widerspiegeln –, bedeuten einen herben Rückschlag auf dem Weg zu langfristig tragbaren Staatsfinanzen. Zwar beteuerte Finanzminister Scholz in der Haushaltsdebatte diese Woche mit Blick auf die steigenden Staatsausgaben, dass ein Nicht-Handeln viel teurer wäre als ein Handeln. Für die neue Bundesregierung dürfte dies auch gelten, allerdings dann wohl mit Blick auf die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte.

Corona-Defizite sind ein herber Rückschlag

In der ersten Jahreshälfte 2020 hat die Corona-Pandemie mit EUR 51,6 Mrd. der 3,2% vom BIP ein tiefes Loch in den deutschen Staatshaushalt gerissen. Die Haushaltsverschlechterung war sogar ausgeprägter als während der globalen Finanzkrise (siehe Grafik 1). Auch wenn die Corona-Rezession und der damit verbundene Einschlag auf die Staatsfinanzen wohl deutlich weniger tief als zunächst befürchtet ausfallen dürften, ist für die nächsten zwei Jahre ein deutlicher Anstieg der Staatsverschuldungsquote auf bis zu knapp unter 75% vom BIP vorgezeichnet (siehe Grafik 2). Auch wenn die Maastricht-Schuldenquote unterhalb des Rekordwertes von 82,4% aus dem Jahr 2010 verbleiben dürfte – und im internationalen Vergleich selbst dann noch recht moderat anmuten dürfte –, stellt der sprunghafte Anstieg von knapp 15 Prozentpunkten eine große Bürde für die Finanzpolitik dar.

Die durch die Pandemie gerissenen Finanzlücken in diesem und nächsten Jahr – die sich alleine für den Bund in einer Rekordneuverschuldung von rund EUR 218 Mrd. bzw. EUR 96 Mrd. widerspiegeln –, bedeuten einen herben Rückschlag auf dem Weg zu langfristig tragbaren Staatsfinanzen. Die Stiftung Marktwirtschaft hat in ihrer aktualisierten Analyse zur Generationenbilanz für den deutschen Gesamtstaat eine Nachhaltigkeitslücke von enorm hohen 345% des BIP ermittelt. Diese Kernziffer berücksichtigt nicht nur Deutschlands explizite Maastricht-Staatsschulden von 59,8% des BIP (Ende 2019), sondern bezieht auch die durch staatliche Leistungsversprechen zukünftig entstehende implizite („versteckte“) Verschuldung mit ein. Durch die Corona-Pandemie ist diese implizite Staatsschuld mit einem Anstieg um 109 Prozentpunkte auf ca. 285% des BIP regelrecht durch die Decke gegangen.

Höhere Sozialabgaben drohen

Im Vergleich zu den Steuerschätzergebnissen in der Vor-Corona-Zeit (Oktober 2019) deutet die aktuelle September-Schätzung für die nächsten fünf Jahre auf einen Steuerausfall von insgesamt rund EUR 345 Mrd. hin (kumuliert über den Zeitraum 2020-24). Allein in diesem Jahr dürften sie um knapp EUR 100 Mrd. niedriger ausfallen als noch vor Ausbruch der Corona-Krise prognostiziert wurde. Selbst im Jahr 2024 dürften die erwarteten Steuerausfälle noch immer fast EUR 50 Mrd. betragen. Bei diesem Ausblick ist klar, dass die in den kommenden Jahren anstehende fiskalische Konsolidierung alles andere als ein Selbstläufer wird. Ebenso ist bereits jetzt absehbar, dass die Sozialversicherungsbeiträge in den kommenden Jahren deutlich steigen dürften, auch wenn die Regierung mit der „Sozialgarantie 2021“ die Sozialabgaben zumindest bis einschließlich 2021 bei maximal 40% des Bruttoarbeitsentgelts begrenzen will. Derzeit liegen die Sozialabgaben zwar für kinderlose Arbeitnehmer mit insgesamt 39,75% noch leicht unter der 40%-Marke (siehe Grafik 3), für kinderlose Beitragszahler, die einen Zusatzbetrag von 0,25% in die Pflegeversicherung einzahlen müssen, liegt die Gesamtbelastung jedoch schon jetzt bei 40%.

Nicht Handeln wird viel teurer für die nächste Bundesregierung

Zwar beteuerte Finanzminister Scholz in der Haushaltsdebatte diese Woche mit Blick auf die steigenden Staatsausgaben, dass ein Nicht-Handeln viel teurer wäre als ein Handeln. Für die neue Bundesregierung dürfte dies auch gelten, allerdings dann wohl mit Blick auf die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Der im öffentlichen Diskurs manchmal entstehende Eindruck, dass tragbare Staatsfinanzen angesichts des chronischen Niedrigzinsumfeldes gar keine Rolle mehr spielten – weil der deutsche Staat seinen Kreditbedarf zu Mini- bzw. Negativzinsen stillen kann –, trügt. Eine Welt, in der der Staat seine alten Schulden und neu entstehenden Haushaltsdefizite fortwährend über immer neue Schulden finanzieren kann und diese noch nicht mal mit fiskalischen Kosten einhergehen, stellt nicht die Realität dar, sondern bleibt nichts anderes als eine Traumwelt. In Wahrheit wäre eine Fiskalpolitik, die nur bei den gegenwärtigen Niedrigzinsen durchgehalten werden kann, mit einer riskanten Wette auf die künftige Zinsentwicklung verbunden. Denn eine permanente Schuldenüberwälzung gleicht einem Schneeballsystem, welches nur solange funktioniert, wie die Zinsen unterhalb der BIP-Wachstumsrate liegen. Ob das Zins-Wachstumsdifferenzial jedoch dauerhaft negativ bleibt, kann niemand voraussagen. Was hingegen recht klar erscheint, ist, dass die deutsche Potenzialwachstumsrate in den nächsten Dekaden aufgrund der ungünstigen Demografie weiter absinken dürfte.

Damit der deutsche Staat auch in künftigen Krisen über den erforderlichen fiskalischen Spielraum verfügt, sollte die Konsolidierung so schnell wie möglich angepackt werden. Dass dies nicht leicht wird, zeigt schon die noch zu schließende Finanzlücke (von über EUR 42,5 Mrd.) im Finanzplan für 2022 bis 2024. Sofern die Konjunktur nicht wieder unerwartet stark anspringt, dürften zusätzliche Steuer- und Abgabenbelastungen und/oder Ausgabenkürzungen schon ins Haus stehen. Letztlich muss die (nächste) Bundesregierung entscheiden, ob sie bei der erforderlichen Konsolidierung bewusst noch höhere Steuern und Abgaben in Kauf nehmen möchte (die den Faktor Arbeit weiter verteuern und die Wirtschaft erheblich belasten würden) oder ob sie stattdessen klarere und wachstumsfreundliche Prioritäten in der Ausgabenpolitik – auch im Sinne der Generationengerechtigkeit –setzen will. 

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