Schwere Hauterkrankungen werden heutzutage erfolgreich mit systemmodulierenden oder systemsuppressiven Medikamenten behandelt. Mit Beginn der Coronapandemie stellten sich Dermatologinnen und Dermatologen die Frage, wie mit der Therapie systemisch wirkender Medikamente zu verfahren sei. Wie wirkt sich eine therapiebedingte Aktivierung des Immunsystems aus, wenn eine Patientin/ein Patient sich mit Corona infiziert? Beeinflusst der Einsatz von Biologika (Antikörpern) einen COVID-19-Verlauf günstig oder eher ungünstig? Kann man eine solche Therapie in Pandemiezeiten beginnen und sollte eine bestehende pausieren? Diese und weitere Fragen diskutieren Experten auf der Pressekonferenz der Deutschen Dermatologische Gesellschaft e.V. (DDG) am 14. April 2021 auf der 51. virtuellen DDG-Tagung (14. bis 17. April 2021).

Patientinnen und Patienten, die an Neurodermitis, Schuppenflechte oder Nesselsucht (Urtikaria) erkrankt sind, leiden an schwerem Juckreiz und Ekzemen mit starker Schuppung oder Quaddeln. Vom Entzündungsmuster und von der Behandlung her betrachtet sind es unterschiedliche Erkrankungen. Sie verbindet, dass zu ihrer Behandlung seit einigen Jahren erfolgreich sogenannte Biologika eingesetzt werden. Diese biotechnologisch hergestellten Antikörper werden zur Behandlung von Hauterkrankungen eingesetzt, die auf Störungen im Immunsystem zurückgehen. Viele Patientinnen und Patienten profitieren von diesen neuen systemisch wirkenden Therapeutika, die das überreagierende Immunsystem bremsen.
 
„Bei Coronainfektionen spielt die Aktivierung des Immunsystems eine Rolle, wobei nicht pauschal gesagt werden kann ist, ob ein Mehr oder Weniger einer Immunreaktion gut ist“, sagt Professor Dr. med. Tilo Biedermann, Präsident der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 beschäftigte Dermatologinnen und Dermatologen die Frage, ob man Systemtherapien mit Biologika beginnen, pausieren oder weiterführen sollte. Zugleich mussten die Behandelnden davon ausgehen, dass unbehandelte Patientinnen und Patienten mit Psoriasis und Psoriasis-Arthritis, Neurodermitis oder Nesselsucht sehr wahrscheinlich ein etwas höheres Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben. Die Vermutung lag nahe, dass eine erfolgreich behandelte Hauterkrankung dann womöglich das Risiko für eine schwere Coronainfektion senken könne.
Die Antwort ‚Therapie weiterführen, um ggf. einen Schutz der Menschen mit Hauterkrankungen vor schweren Verläufen zu erhöhen‘ greife jedoch zu kurz. „Bei Neurodermitis sind beispielsweise nicht alle Therapien gleich zu bewerten. Medikamente, die gezielt die fehlgesteuerte sogenannte Typ-2-Immunreaktion reduzieren, haben einen positiven Effekt gegen die Virusinfektion“, erläutert Biedermann. Im Gegensatz dazu zeigen die bei schweren Hauterkrankungen eingesetzten, eine Immunantwort umfänglicher inhibierenden Medikamente wie Glukokortikoide, Cyclosporin, Azathioprin oder Methotrexat Nachteile. „Bei diesen Patienten muss eine individuelle Entscheidung getroffen werden, ob die Therapie beibehalten, umgestellt oder angepasst werden sollte. Jegliche Veränderung ist dabei immer vor dem Hintergrund einer möglichen Verschlechterung der Grunderkrankung und damit einer Gefährdung der Patienten abzuwägen“, so der DDG-Präsident. Das Beibehalten einer wirksamen Therapie sei immer eine Priorität.
 
Innerhalb eines Jahres zeigte sich, dass die meisten in der Dermatologie eingesetzten Biologika ohne wesentliche Probleme während der Pandemie verabreicht werden konnten. Bei einigen Biologika könne man sogar von Unbedenklichkeit sprechen. „Hier ist in erster Linie Omalizumab zu nennen, welches eine Indikation zur Behandlung des allergischen Asthma bronchiale und der chronisch spontanen Urtikaria hat. Die von Omalizumab blockierten IgE-Antikörper scheinen für die Kontrolle des Coronavirus nicht von Bedeutung zu sein“, ergänzt Biedermann.
 
Nach einem Jahr Coronapandemie und den vorliegenden Erfahrungen und Studien sind sich die Dermatologen sicher: Für die allermeisten Patienten hat sich keine oder nur eine geringfügige Beeinflussung der Immunantwort gegenüber dem Virus ergeben. Professor Dr. med. Peter Elsner, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit der DDG ergänzt: „Eine wirksame und indizierte Therapie einer Grunderkrankung sollte nicht leichtfertig abgesetzt oder pausiert werden und kann in den meisten Fällen auch ohne größere Bedenken beibehalten werden“.

Quelle:

Schön MP, Carola Berking C, Biedermann T et al.: COVID-19 und Immunregulation – von grundlegenden und translationalen Aspekten zu klinischen Implikationen. J Dtsch Dermatol Ges. 2020 Aug; 18(8): 795–809.
Published online 2020 Aug 21. German. doi: 10.1111/ddg.14169_g

Über Deutsche Dermatologische Gesellschaft

Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) e. V. ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft der deutschsprachigen Dermatologinnen und Dermatologen. Als eine gemeinnützige Organisation mit mehr als 3.800 Mitgliedern fördert sie Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Dermatologie und ihrer Teilgebiete. Die DDG setzt sich für die Förderung der klinischen und praktischen Dermatologie, Allergologie und Venerologie sowie ihrer konservativen und operativen Teilgebiete ein. Mit der Durchführung von wissenschaftlichen Veranstaltungen und Kongressen engagiert sie sich in der Fort- und Weiterbildung, sie entwickelt Leitlinien und unterstützt Forschungsvorhaben durch Anschubfinanzierungen und Förderungen. Darüber hinaus vergibt die DDG zusammen mit der Deutschen Stiftung für Dermatologie Forschungsgelder und Stipendien an vielversprechende Nachwuchsmedizinstudierende und an namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

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