Das seit vielen Jahren geforderte und intensiv diskutierte Berufsrecht der Insolvenzverwalter hat zuletzt neue Impulse aus Bund, Ländern und der EU erhalten. Will der deutsche Gesetzgeber keine anhaltende Rechtsunsicherheit in Kauf nehmen, dann ist er jetzt gefordert ein Berufsrecht zu schaffen und Deutschland an den europäischen Standard anzugleichen. Der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter erläutert die neuen Impulse und leitet aus ihnen Forderungen für die gesetzliche Umsetzung ab.

Aktuelle Insolvenzverfahren wie beispielsweise das der MV Werften zeigen die täglichen multidisziplinären Anforderungen an den Beruf des Insolvenzverwalters. Spätestens seit Einführung der Insolvenzordnung im Jahr 1999 überschreitet der Beruf des Insolvenzverwalters, Sachwalters und Restrukturierungsbeauftragen die Grenzen der anwaltlichen, steuerberatenden oder wirtschaftsprüfenden Tätigkeit. Die gesetzlichen Grundlagen für ein Berufsrecht sind trotz dieses Berufsbildes bislang nur fragmentarisch und lückenhaft. Dies verunsichert nicht nur die betroffenen Berufsträger, sondern auch die Rechtsanwender auf Seiten der Justiz und die am Insolvenz- bzw. Restrukturierungsverfahren beteiligten Gläubiger.

Das Bundesverfassungsgericht hat 2004 den Beruf des Insolvenzverwalters als eigenständigen Beruf anerkannt. Seit 2009 fordert der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) den Gesetzgeber auf, gesetzliche Regelungen für den Beruf des Insolvenzverwalters zu schaffen. 2018 kündigte die Bundesregierung die Umsetzung sogar im Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode an, doch die Coronagesetzgebung hat die gesetzgeberische Arbeit überschattet – zu einer Umsetzung ist es bisher nicht gekommen. Nun ist es an der Zeit dies kurzfristig nachzuholen.

In den vergangenen Monaten verdichten sich zudem deutlich die Impulse für die Schaffung eines Berufsrechts. Der VID hat deshalb in einem Papier, das auch an den Bundesjustizminister Buschmann gerichtet ist, die wichtigsten Entwicklungen zusammengefasst und Forderungen aufgestellt. „Europäische Standards, die Beschlüsse der Justizministerkonferenz und die jüngste hochrichterliche Rechtsprechung zeigen eindeutig in Richtung Berufsrecht“, sagt Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des VID. „Der deutsche Gesetzgeber sollte nun dringend handeln, wenn er nicht eine anhaltende Rechtsunsicherheit mit vielen Rechtsauseinandersetzungen riskieren möchte“, führt Niering fort.

Die Justizministerkonferenz hat in ihrer Herbstkonferenz am 11. und 12.11.2021 beschlossen dem Bericht einer dazu gegründeten Landesarbeitsgruppe zu einer bundeseinheitlichen Vorauswahlliste von Insolvenzverwaltern zu folgen.

Auch auf europäischer Ebene zeigen sich Impulse für ein Berufsrecht. „Innerhalb der europäischen Union können 22 der insgesamt 27 Mitgliedstaaten auf ein gesetzlich ausdifferenziertes Berufsrecht verweisen. Deutschland fällt weit hinter die Entwicklung der meisten europäischen Mitgliedstaaten zurück. Das ist unverständlich, da die europäische Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz schon 2019 den Mitgliedstaaten einen Handlungsauftrag zur Verbesserung der berufsrechtlichen Rahmenbedingungen erteilt hat“, führt Niering aus.

Schaut man auf die Empfehlungen der European Bank for Reconstruction and Development, kurz EBRD, fällt noch einmal mehr auf, wie wenig das deutsche Gesetz den Beruf des Insolvenzverwalters, Sachwalters und Restrukturierungsbeauftragen regelt. In ihren am 1.7.2021 veröffentlichen „Principles for an Effective Professional and Regulatory Framework for Insolvency Office Holders“ formuliert die EBRD Mindeststandards für die berufliche Regelung von Insolvenzverwaltern.

Zuletzt zeigt die Entwicklung in der nationalen Rechtsprechung, u.a. in einer Entscheidung des BGH zur Rechtswidrigkeit von Vorauswahlsystemen einzelner deutscher Amtsgerichte, dass der Gesetzgeber dringend ausdifferenzierte berufsrechtliche Regelungen schaffen muss.

„Die Bundesregierung sollte nun die berufsrechtlichen Regelungslücken über ein umfassendes Regelwerk schließen und so die Rahmenbedingungen des komplexen Berufsbildes den europäischen Standards anpassen. Bei einem weiteren Zuwarten bestünde die Gefahr, dass das deutsche Sanierungs- und Insolvenzrecht seine bisher im internationalen Vergleich hervorragende Position deutlich einbüßen könnte“, so der VID-Vorsitzende. Dabei betont der VID, dass insbesondere in den Bereichen Berufsausbildung, Zulassung, Vorauswahl, Berufsausübungsregelungen sowie im Bereich des Vergütungsrechts, der Fortbildung, des Delistings und der selbstverwaltenden Berufsaufsicht gesetzliche Regelungen notwendig sind.

Über Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. (VID)

Der Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands ist der Berufsverband der in Deutschland tätigen Insolvenzverwalter und Sachwalter. Mit mehr als 460 Mitgliedern vertritt er die überwiegende Mehrheit dieser Berufsgruppe. Die Mitglieder verpflichten sich auf "Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung" und zur Zertifizierung nach ISO:9001. Damit setzt der Verband Maßstäbe für eine unabhängige, transparente und qualitativ anspruchsvolle Tätigkeit in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren. Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist eine mindestens dreijährige Tätigkeit als Unternehmensinsolvenzverwalter oder Sachwalter.

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