Sachsens Umweltminister Wolfram Günther sprach von einem Meilenstein in den jahrelangen Bemühungen, von einem Riesenerfolg für die Natur und für die Menschen in der Region: „Ein Wildnisgebiet in einem dichtbesiedelten Land ist keine Selbstverständlichkeit. Die Königsbrücker Heide ist ein einzigartiger ökologischer Schatz. In Zeiten von globalem Artensterben und Lebensraumverlust ist das unbezahlbar. Hier kann Natur Natur sein, hier haben unzählige Arten wichtige Rückzugsräume. Außerdem können wir von der Wildnis und ihrer natürlichen Dynamik lernen, wie wir anderswo Arten retten können. Und wir fördern in der Königsbrücker Heide das Naturerleben, die Umweltbildung und die regionale Entwicklung. Denn das Wildnisgebiet wird auch Besucherinnen und Besucher anziehen.“
Der Vorstandsvorsitzende von NNL e. V, Peter Südbeck, freute sich über diese Auszeichnung mit solch einer hohen internationalen Strahlkraft im Kreise der Mitglieder: „Wir wollen dieses Wildnisgebiet zu einem überregionalen Erfolgsmodell in den Nationalen Naturlandschaften machen. Naturschutz, Information, Bildung und Regionalentwicklung sind dabei Säulen des Erfolgs. Und diese Auszeichnung ist ein bedeutendes Qualitätsmerkmal, wofür unsere Gebiete in ganz Deutschland stehen. Dafür danken wir allen Beteiligten des Freistaats Sachsen, vor allem aber auch unserem unermüdlichen Schutzgebietsleiter Dr. Jürgen Stein.“
Der deutsche Vertreter der IUCN, Dr. Eick von Ruschkowski, gratulierte im Namen der internationalen Organisation und betonte: „Die Königsbrücker Heide zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Entwicklung von einem Militär- in ein Wildnisgebiet aus. Die Auszeichnung der Königsbrücker Heide als IUCN-Wildnisgebiet Kategorie Ib stellt ein Novum für die Bundesrepublik dar und bringt internationale Anerkennung nach Sachsen. Sie spiegelt nicht nur wider, dass wir als Gesellschaft in der Lage sind, der Natur auch etwas zurückgegeben, was wir vorher sprichwörtlich verwüstet haben, sondern auch, dass Naturschutz einen langen Atem braucht, weil natürliche Prozesse Jahrzehnte oder noch längere Zeitperioden in Anspruch nehmen.“
Die Kriterien für Wildnisgebiete nach IUCN-Kategorie Ib sind:
- die Größe des Schutzgebietes, um Ökosysteme in ihrer Gesamtheit zu schützen,
- das Erfordernis, natürliche Prozesse ungestört ablaufen zu lassen und menschliche Eingriffe zu vermeiden,
- das Fehlen von Siedlungen oder Infrastrukturen (abgesehen von kleinen Maßnahmen der Besucherlenkung).
Wesentlich für die Auszeichnung der Königsbrücker Heide war zudem, dass eine gerade im mitteleuropäischen Maßstab große Fläche im Umfeld wenig Infrastruktur aufweist und somit über eine Pufferzone verfügt. Wichtig waren auch der Rückbau der Infrastrukturen und die Erstellung einer NSG-Verordnung, die natürlichen Prozessen freien Lauf lässt und menschliche Eingriffe minimiert. Aus Gründen des Naturschutzes und der flächenhaften Kampfmittelbelastung darf das Gebiet nur auf kampfmittelfrei markierten Wegen durch Wandernde und Radfahrende betreten bzw. befahren werden. Besuchende können auf dem rund 54 km langen Rad-Rundweg um das Wildnisgebiet herum und den markierten Themenwegen, die als zumeist kurze Rundwege in die Randbereiche des Wildnisgebietes führen, die Wildnis und ihre Entwicklung vor Ort erleben. Bestandteil des Angebots zum Naturerleben sind außerdem ein 34 m hoher Aussichtsturm am Südostrand und eine Aussichtsplattform am Westrand des Schutzgebietes. Die »Wildnisstation« dient der Durchführung kleinerer Veranstaltungen sowie als Stützpunkt für die Junior Ranger. Die Schutzgebietsverwaltung bietet außerdem geführte Wanderungen und Bus-Exkursionen ins Gebiet an. Auch diese Aspekte waren für die Anerkennung durch die IUCN wichtig.
Seit 1996 entwickelt sich auf der fast 90 Jahre lang vom Militär als Truppenübungsplatz intensiv genutzten und noch heute unter anderem durch Munitionsrückstände belasteten Fläche „sekundäre Wildnis“. Das 7.036 ha große Wildnisgebiet etwa 30 km nördlich von Dresden und gehört naturräumlich zum Oberlausitzer Heideland. Die als Naturschutzgebiet 1992 einstweilig gesicherte und 1996 als solches festgesetzte Fläche weist inzwischen eine große biologische Vielfalt auf, die unter anderem auf einem Wechsel von sehr trockenen und sehr feuchten Standorten und Lebensräumen basiert. Daraus resultiert ein großer Reichtum an teils seltenen Tier- und Pflanzenarten. Dazu zählen Biber, Fischotter, Seeadler, Bekassine, Grauspecht und Rotbauchunke, eine Vielzahl an totholzbewohnenden Käferarten sowie natürliche Eichenmischwälder auf Sandebenen, Schwarzpappeln oder Unterwasservegetation mit bundesweiter Bedeutung. Weichholzauen und Bruchwälder begleiten die mehr als 100 km langen Fließgewässer. Seit 2007 betreut die NSG-Verwaltung im Staatsbetrieb Sachsenforst das Naturschutzgebiet Königsbrücker Heide. Rund 99 Prozent der Fläche befinden sich im Eigentum der öffentlichen Hand.
Seit 2016 gehört das NSG Königsbrücker Heide auch als Wildnisgebiet zu den Nationalen Naturlandschaften Deutschlands (NNL) und erfüllt die Qualitätsstandards an ein NNL-Wildnisgebiet. Die Nationalen Naturlandschaften bewahren als Bündnis der deutschen Nationalparke, Naturparke, Biosphärenreservate und Wildnisgebiete auf rund einem Drittel der Fläche Deutschlands gemeinsam mit allen Menschen faszinierende Natur, vermitteln Freude beim Erleben der Natur und gestalten die Zukunft mit Zuversicht nachhaltig.
Die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Sabine Riewenherm, gratulierte in einem Glückwunschschreiben ebenfalls: „Die Zertifizierung als Wildnisgebiet ist damit einerseits eine große Anerkennung für das Naturschutzgebiet, aber vor allem auch für das außergewöhnliche Engagement und die Begeisterung der Menschen vor Ort. Andererseits ist diese einzigartige Auszeichnung auch eine große Anerkennung und Stärkung für den Naturschutz insgesamt, indem einmal vor Ort Natur in einem besonderen Ausmaß erlebt werden kann, aber auch darüber hinaus, da gezeigt wird, wie Naturschutz und eine positive regionale Entwicklung Hand in Hand gehen und somit ein Mehrwert für Natur und Gesellschaft auf unterschiedlichen Ebenen generiert werden kann.“
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