Das Karlsruher Familienunternehmen für pflanzliche Arzneimittel Dr. Willmar Schwabe lässt Ratten bis zur Verzweiflung schwimmen, um dem Lavendelölwirkstoff Silexan eine antidepressive Wirkung zu bescheinigen. Der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche hat diesen Skandal aufgedeckt und die Firma aufgefordert, sämtliche Tierversuche sofort einzustellen.

Das Erkältungsmittel Umckaloabo, Gingko-Extrakt Tebonin oder das Mittel gegen innere Unruhe und Schlafstörungen Lasea – das Pharmaunternehmen Dr. Willmar Schwabe ist bekannt für seine pflanzlichen Arzneimittel. Ärzte gegen Tierversuche hat nun aufgedeckt, dass das Familienunternehmen offensichtlich routinemäßig Tierversuche durchführt, darunter den besonders umstrittenen „forcierten Schwimmtest“, auch „Verzweiflungstest“ genannt.

Dabei müssen Ratten in einem Wasserglas so lange schwimmen, bis sie aufgeben und sich treiben lassen. Ein Tier, das weniger versucht, zu entkommen, gilt als depressiv. Dann gibt man der Ratte einen Wirkstoff, der gegen Depressionen helfen soll, in diesem Fall Silexan. Schwimmt das Tier nun länger, gilt das als Beweis für die antidepressive Wirkung der Substanz.

Von der EU wird dieser Test als Tierversuch der höchst möglichen Kategorie, nämlich dem Schweregrad „schwer“ geführt. „Dieser Standard-Test ist nicht nur extrem grausam, da die Tiere in der ausweglosen Situation Panik und Todesangst erleiden, er ist auch wissenschaftlich absurd“, erklärt Dr. med. vet. Corina Gericke, Vizevorsitzende von Ärzte gegen Tierversuche. Nach Aussage des Vereins kann das Treibenlassen einer Ratte keineswegs mit einer Depression des Menschen gleichgesetzt werden, die sich in zahlreichen Beschwerden äußert und eine Vielzahl von Ursachen haben kann. „In dem Tierversuch kann auch erlerntes Verhalten eine Rolle spielen, d.h., die Ratte realisiert, dass sie den Wasserbehälter nicht verlassen kann. Sie spart deshalb ihre Kräfte, indem sie sich treiben lässt“, so die Tierärztin. Eine ganze Reihe von Publikationen stellt die wissenschaftliche Aussagekraft dieses Tests seit Jahren in Frage.

Der Ärzteverein betreibt eine öffentlich zugängliche Internet-Datenbank, in der ausschnitthaft in Deutschland durchgeführte Tierversuche dokumentiert werden. Das Wissenschafts-Team des Vereins stieß bei der Recherche für die Datenbank auf einen in einer Fachzeitschrift erschienenen Artikel, der belegt, dass Dr. Willmar Schwabe das Lavendelöl Silexan, das in dem Produkt Lasea enthalten ist, in dem umstrittenen Tierversuch getestet hat. Hinzu kommt, dass aus der Publikation hervorgeht, dass Silexan in klinischen Studien bereits eine antidepressive Wirkung beim Menschen gezeigt hat. Und, dass auch der forcierte Schwimmtest bereits zu einem „antidepressiven“ Effekt bei Ratten geführt habe. Dieser Test wurde durchgeführt, obwohl der gewünschte Effekt sowohl beim Menschen als auch bei Ratten bereits gezeigt worden war.

„Auf der Webseite des Pharmaunternehmens werden Tierversuche als ՚experimentelle In-vivo-Modelle՚ verklausuliert und als Standard-Untersuchung aufgeführt“, kritisiert Tierärztin Gericke. Der Verein hat in einem Schreiben das Pharmaunternehmen aufgefordert, umgehend sämtliche Tierversuche einzustellen und ausschließlich tierversuchsfreie Testmethoden einzusetzen. „Unlängst verlautete der Pharmariese Merck, auf Tierversuche verzichten und auf humanbasierte und damit bessere Methoden setzen zu wollen. Wollen Sie das Schlusslicht der Pharmabranche sein?“, heißt es in dem Schreiben von Ärzte gegen Tierversuche an die Firma Dr. Willmar Schwabe. Eine Antwort steht zweieinhalb Wochen später immer noch aus.

Weitere Informationen

www.datenbank-tierversuche.de

Quelle

Friedland K. et al.: Neurotrophic properties of silexan, an essential oil from the flowers of lavender – preclinical evidence for antidepressant-like properties. Pharmacopsychiatry 2021; 54: 37-46

Über den Ärzte gegen Tierversuche e.V.

„Medizinischer Fortschritt ist wichtig – Tierversuche sind der falsche Weg!“ – Unter diesem Motto setzt sich Ärzte gegen Tierversuche e. V. seit 1979 für eine tierversuchsfreie Forschung ein, die auf dem Einsatz von modernen Methoden z.B. mit menschlichen Zellkulturen und Organchips sowie der Ursachenforschung und Vorbeugung von Krankheiten basiert. Ziel ist die Abschaffung aller Tierversuche und damit eine ethisch vertretbare, am Menschen orientierte Medizin – eine Wissenschaft, die durch moderne, tierversuchsfreie Testmethoden zu relevanten Ergebnissen gelangt.

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