„Die seit den Tiefstständen im März kräftig erholten Aktienbörsen zeigen, wie positiv beeindruckt die Märkte von einer entschlossen handelnden Politik in Phase I der Eindämmung des Virus waren“, so  Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch. Immerhin seien die wichtigsten Ziele der Phase I, eine kontrollierte Eindämmung des Virus, weitestgehend erreicht worden. Insbesondere die globalen Aktienmärkte hätten diese Erfolge – auch in der Aussicht auf ein wieder zeitnahes Starten weltwirtschaftlicher Aktivitäten – honoriert. „Anfang Mai war der Weltaktienmarkt (gemessen am MSCI World Net €) nur noch 16,4 % von seinem am 19. Februar erreichten Allzeit-Höchststand entfernt. Seit dem Tiefpunkt am 23. März hat der Index beeindruckende 26,2 % zugelegt und damit die Hälfte des Kurseinbruches korrigiert“, sagt Böckelmann. Doch man müsse sich fragen, ob die Kursanstiege im April gerechtfertigt oder die Märkte der Realität enteilt seien. Immerhin spreche der Internationale Währungsfonds selbst von der größten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression.

Kein einheitliches Vorgehen

Für den Investmentexperten ist ein Fortschreiben der Entschlossenheit in Phase II nicht sehr wahrscheinlich. Ein Wiederanfahren der Wirtschaft erfordere interdisziplinäre Abwägungen, die Politik wie Gesellschaften aktuell zu überfordern scheinen. In der Folge dürfte die Phase II auch international sehr unterschiedlich gehandhabt werden, globale Lieferketten gestört bleiben und vor allem viele Monate andauern, bis wirksame Medikamente oder ein Impfstoff in einer Phase III verfügbar sind. „Dieser lange Weg wird wahrscheinlich von lokal begrenzten zweiten Infektionswellen und politischen Streitigkeiten begleitet werden. Vor allem aber bedeutet es eine erneute Ansteckungsgefahr für die Banksysteme, je länger regionale Lockdown-Phasen anhalten“, glaubt Böckelmann.

V- bis schlank U-förmige Erholung scheint eingepreist

Die Kapitalmärkte – vor allem die Aktienmärkte – scheinen mit ihren steigenden Kursen bereits auf die Jahre 2021 und 2022 zu schauen. „2020 ist gedanklich abgeschrieben, von den Unternehmensergebnissen wird wenig erwartet“, so Böckelmann. In diesem Jahr würden Investmentbanken mit Gewinneinbrüchen von 50-60 % verglichen mit 2019 rechnen. Ausgehend von einer V- bis schlank U-förmigen weltwirtschaftlichen Erholung werden dann Gewinnsteigerungen in 2021 von 80-100 % gesehen. „Aber selbst dieser gewaltige Anstieg führt dazu, dass die aggregierten Unternehmensgewinne in 2021 etwa 20 % niedriger sein werden als im Referenzjahr 2018, bevor die Kursrallye bis zu den Allzeithöchstständen im Februar 2020 begann“, so der Experte weiter.

Negative Auswirkungen schwer einzuschätzen

Aktien seien trotz gesunkener Gewinnerwartungen noch attraktiver geworden, da selbst das bis vor der Corona-Krise noch halbwegs attraktive US-Zinsniveau dramatisch gesunken ist. Ihre Alternativlosigkeit werde die Anlageklasse Aktie trotz höherer Bewertungen und Risiken weiter unterstützen – Phasen hoher Volatilität inklusive. Für eine finale Beurteilung, ob jüngste Kursanstiege nur eine Bärenmarktrallye darstellen oder tatsächlich auf die schnellste weltwirtschaftliche Erholung der Geschichte deuten, sei es jedoch deutlich zu früh. „Fakt ist, dass neben all dem erfolgreich beherzten politischen Eingreifen aktuell wachsende politische Allmachtsphantasien, die von Enteignung über Verstaatlichung, vom Verbot von Aktienrückkäufen bis zu Dividendenzwangspausen, von einem Recht auf Homeoffice bis zu weiteren Steuerbelastungen reichen, auch ihre negativen Wirkungen auf die Wirtschaft entfalten werden“, fasst Böckelmann zusammen.

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