• Unter dem Eindruck der vermehrten EZB-Anleihekäufen (PEPP / PSPP) sind die Target2-Salden zuletzt merklich auseinandergedriftet
  • Bei einem Italexit könnten sich Risiken für Gläubiger materialisieren – Deutschland würde ein Verlust von bis zu 164 Mrd. Euro drohen
  • Target2-Salden zu begrenzen, erscheint nicht zielführend, die Risiken könnten jedoch höher vergütet oder durch Kapitalpuffer reduziert werden

Der deutsche Target2-Saldo ist in jüngster Vergangenheit wieder merklich angestiegen und summiert sich derzeit auf etwa 916 Mrd. Euro (Stand Mai). Im Gegenzug sind auch die Target2-Verbindlichkeiten der europäischen Peripherie weiter angewachsen. Spitzenreiter ist hier weiterhin Italien mit Verbindlichkeiten im Volumen von 517 Mrd. Euro. Der Anstieg der Target2-Salden dürfte vor allem durch das Anleiheankaufprogramm der EZB beeinflusst sein. So geht der Anstieg der positiven Target-Salden in Deutschland, Finnland, Luxemburg, Irland und den Niederlanden vergleichsweise eng mit einem Anwachsen des EZB-Anleiheportfolios einher. Perspektivisch ist allerdings davon auszugehen, dass sich das Auseinanderdriften der Target2-Salden weiter fortsetzt. So haben die europäischen Währungshüter zuletzt den Ankaufrahmen für das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) um 600 Mrd. Euro auf nunmehr 1.350 Mrd. Euro aufgestockt. Eine Trendwende bei der Entwicklung der Target2-Salden erscheint daher bis auf weiteres nicht abzusehen.

Die Konstruktion des Target2-Systems legt nahe, dass keine gravierenden Risiken für die Gläubiger bestehen, solange das Eurosystem in seiner jetzigen Form fortbesteht. Man kann allerdings trefflich darüber streiten, ob das Target2-System nicht vor allem aus der Sicht der Schuldner vorteilhaft gestaltet ist. Risiken aus der Sicht der Gläubiger bestehen derzeit insbesondere für den Fall, dass ein Land aus dem Euro ausscheidet oder sogar das ganze Eurosystem zerbricht. Im Falle eines Italexit summiert sich das maximale Verlustrisiko für Deutschland auf rund 164 Mrd. Euro.

Trotz des bedingten Risikos dürfte es schwer werden, das bisherige System zu reformieren. Abgesehen von dem fehlenden politischen Willen bergen manche Reformvorschläge wiederum ihrerseits erhebliche Risiken. So könnte der Vorschlag, Target2-Salden in ihrer Höhe zu begrenzen, eine Gefahr für die Stabilität und das Vertrauen in das Eurosystem bergen, wenn grenzübergreifende Finanztransaktionen beschränkt würden. Zielführender könnten Ansätze sein, die Risiken entweder höher zu vergüten, indem man einen Zinssatz oberhalb des Refinanzierungssatzes wählt, oder das meist eher geringe Eigenkapital von Zentralbanken zu erhöhen, um einen Kapitalpuffer für den Fall einer Krise zu stärken.

Target2-Salden sind zuletzt wieder merklich auseinandergedriftet

In jüngster Vergangenheit sind die Target2-Salden der verschiedenen Länder der Eurozone wieder deutlich auseinandergedriftet. Die Forderungen der Bundesbank gegenüber der EZB als zentralem Counterpart des Target2-Systems haben sich zuletzt um etwa 100 Mrd. Euro auf gegenwärtig rund 916 Mrd. Euro (Stand Mai) erhöht. Neben Deutschland weisen, wenn auch in deutlich geringerem, aber dennoch bedeutendem Umfang, derzeit Luxemburg, Finnland, Irland und die Niederlande positive Target-Salden aus. Im Gegenzug haben insbesondere Notenbanken der europäischen Peripherie in erheblichem Umfang Verbindlichkeiten gegenüber dem Eurosystem angehäuft. Spitzenreiter ist hier weiterhin Italien mit Verbindlichkeiten im Volumen von 517 Mrd. Euro. Dicht dahinter folgt Spanien mit einem negativen Saldo von 451 Mrd. Euro.

Zur Hochzeit der Euro-Schuldenkrise waren die ansteigenden Target2-Salden ein Spiegelbild dafür, dass der Bankensektor der Peripherie aufgrund eines versiegenden Zustroms bzw. übermäßigen Abflusses (Kapitalflucht) an privatem Kapital zusehends auf Zentralbankliquidität angewiesen war. Vor diesem Hintergrund war die Entwicklung der Target2-Salden in der Vergangenheit ein bedeutender Krisenindikator für Spannungen im Zahlungssystem der europäischen Banken. Derzeit ist festzustellen, dass sowohl spanische als auch italienische Geschäftsbanken in erheblichem Umfang Liquidität bei ihrer jeweiligen nationalen Notenbank parken. Dies spricht somit eher gegen die These einer akuten, breit angelegten Kapitalflucht.

Target2-Salden werden maßgeblich von den Anleihekäufen getrieben

Der Anstieg der Target2-Salden dürfte vielmehr durch das Anleiheankaufprogramm der EZB beeinflusst sein. So geht der Anstieg der positiven Target-Salden in Deutschland, Finnland, Luxemburg, Irland und den Niederlanden vergleichsweise eng mit einem Anwachsen des EZB-Anleiheportfolios einher.

Eine Möglichkeit, wie das Anleiheankaufprogramm zum Auseinanderdriften der Target2-Salden beiträgt, zeigt sich am folgenden Beispiel: Erwirbt die italienische Notenbank italienische Staatspapiere nicht von einer inländischen, sondern von einer deutschen Geschäftsbank, dann hätte dies eine direkte Wirkung auf die Target2-Salden, da die Gutschrift der Zentralbankliquidität grenzüberschreitend erfolgt. Die Bundesbank würde eine steigende Target2-Forderung und die italienische Notenbank eine höhere Target2-Verbindlichkeit verbuchen. Ein weiterer Faktor, welcher grundsätzlich Einfluss auf die Target2-Salden nimmt, sind Anleihekäufe von Geldinstituten mit Sitz außerhalb der Eurozone. In diesem Zusammenhang ist es für die Entwicklung der Target2-Salden entscheidend, über welche nationale Notenbank der internationale Geschäftspartner an das Target2-System angebunden ist. Führt das internationale Geldinstitut beispielsweise ein Konto bei der Bundesbank, was aufgrund des Finanzplatzes Frankfurt häufig der Fall ist, würden Anleihekäufe anderer Zentralbanken des Eurosystems zu Zuflüssen bei der Bundesbank führen und deren Target2-Forderung ansteigen lassen.

Die Target2-Salden würden sich prinzipiell wieder vermindern, wenn die Wertpapierverkäufer in unseren Beispielen die ihnen zugeflossene Liquidität erneut in Anleihen
desselben Emittenten reinvestieren. Diese wird aber zunehmend in Deutschland geparkt, worauf der stetig anwachsende Target2-Saldo Deutschlands hindeutet. Zumindest ein Teil der Investoren scheint eine Anlage in Anleihen der europäischen Peripherie nach wie vor nur für bedingt attraktiv zu erachten und zieht Liquidität vor.

Ein weiterer Faktor, welcher die Target2-Salden unmittelbar beeinflusst, sind die Wertpapierkäufe, welche die EZB selbst tätigt. Deren zahlungsseitige Abwicklung erfolgt über Konten bei den nationalen Zentralbanken. Erwirbt die EZB beispielsweise ein Wertpapier von einer deutschen Geschäftsbank, würde die Bundesbank eine Target2-Forderung und die EZB eine Target2-Verbindlichkeit verbuchen. Die EZBVerbindlichkeiten summieren sich aktuell auf etwa 145 Mrd. Euro.

Letztlich spiegelen sich im Auseinanderdriften der Target2-Salden die unterschiedliche Verteilung der durch die EZB in den Markt gepumpten Zentralbankliquidität und dabei die Abwicklungsorte der Anleihekäufe wider. In einer Währungsunion sollte diese Fragmentierung zwischen den einzelnen Euroländern allerdings weniger ausgeprägt sein. Perspektivisch ist allerdings davon auszugehen, dass sich das Auseinanderdriften der Target2-Salden weiter fortsetzt. So haben die europäischen Währungshüter zuletzt den Ankaufrahmen für das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) um 600 Mrd. Euro auf nunmehr 1.350 Mrd. Euro aufgestockt. Die jüngsten Daten zum PEPP deuten zudem darauf hin, dass die EZB bei ihren Wertpapierkäufen zugunsten von Italien vom Kapitalschlüssel abgewichen ist. Im Vergleich zum PSPP haben die Notenbank-Oberen diesen Freiraum. Allerdings könnte dieser dazu führen, dass die Target2-Salden eine noch etwas deutlichere Aufwärtsdynamik entwickeln, sollten sich ausländische Investoren verstärkt von italienischen Staatspapieren trennen.

Die Dynamik der bisherigen Wertpapierkäufe wirft des Weiteren die Frage auf, inwieweit das PEPP bereits deutlich früher ausgeschöpft sein könnte. Sollte sich allerdings mit Blick auf die Risikoaufschläge von Peripherieanleihen eine Störung im geldpolitischen Transmissionsprozess abzeichnen oder sich die Konjunkturperspektiven nochmals spürbar eintrüben, dürften die EZB-Vertreter nicht zögern, den Ankaufrahmen nochmals auszuweiten. Eine Trendwende bei der Entwicklung der Target2- Salden erscheint daher bis auf weiteres nicht absehbar zu sein.

Bedingte Risiken infolge wachsender Target2-Salden

Über die Risiken, die aus den wachsenden Target2-Salden erwachsen können, wird seit Jahren immer wieder, auch innerhalb der Wissenschaft, gestritten. Target2-Salden sind zunächst einmal Buchungsgrößen innerhalb der Eurosystems. Zentralbanken mit einem (hohen) Target2-Überschuss können ihre Forderungen nicht fällig stellen, Sicherheiten oder einen Tausch in andere Devisen verlangen. Da Forderungen mit dem Hauptrefinanzierungssatz verzinst werden, handelt es sich derzeit sogar um zinsfreie Kredite, die beispielsweise die Bundesbank und andere Zentralbanken in Kerneuropa vor allem südeuropäischen Banken gewähren.

Die Konstruktion des Target2-Systems legt nahe, dass keine gravierenden Risiken für die Gläubiger bestehen, solange das Eurosystem in seiner jetzigen Form fortbesteht. Man kann allerdings trefflich darüber streiten, ob die Target2-Konstruktion nicht vor allem aus der Sicht der Schuldner vorteilhaft gestaltet ist. Vorschläge, beispielsweise aus wissenschaftlichen Kreisen in Deutschland, das Target2-System zu reformieren, werden auf europäischer Ebene bis dato nicht ernsthaft diskutiert.

Risiken aus der Sicht der Gläubiger bestehen derzeit insbesondere für den Fall, dass ein Land aus dem Euro ausscheidet oder sogar das ganze Eurosystem zerbricht. Sollte beispielsweis Italien den Euro verlassen, was in den vergangenen Jahren zumindest innenpolitisch immer mal wieder diskutiert wurde und somit nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dürfte auch eine Diskussion über die italienischen Target2-Verbindlichkeiten von derzeit rund 517 Mrd. Euro geführt werden. Grundsätzlich würde die Forderung des Eurosystems gegenüber Banca d’Iatlia auch im Falle eines Italexit bestehen bleiben. Es wäre allerdings fraglich, ob Italien finanziell in der Lage und politisch willens wäre, diese enorme Verbindlichkeit zu begleichen.

Müsste im Worst Case die Forderung des Eurosystems komplett abgeschrieben werden, so würden die im Euroraum verbliebenen Notenbanken den Forderungsausfall gemäß des EZB-Kapitalschlüssels tragen müssen. Im Fall von Deutschland läge der Schaden etwa in der Höhe von 164 Mrd. Euro. Diesen Verlust hätte die Bundesbank bilanziell zu verbuchen und würde das Eigenkapital des Instituts um ein Vielfaches übersteigen. Zwar könnte die Bundesbank auch mit einem negativen Eigenkapital operieren, nichtsdestotrotz dürfte eine solche Entwicklung aber die Diskussion nach einer Eigenkapitalerhöhung lostreten, die der deutsche Steuerzahler wiederum zu stemmen hätte.

Würde die Eurozone vollständig auseinanderbrechen, was nochmals deutlich unwahrscheinlicher als ein singulärer Austritt Italiens wäre, könnte im Worst-Case-Fall sogar Deutschlands gesamte Forderung von rund 916 Mrd. Euro hinfällig sein.

Trotz des bedingten Risikos dürfte es schwer werden, das bisherige System zu reformieren. Abgesehen von dem fehlenden politischen Willen bergen manche Reformvorschläge wiederum ihrerseits erhebliche Risiken. So könnte der Vorschlag, Target2-Salden in ihrer Höhe zu begrenzen, eine Gefahr für die Stabilität und das Vertrauen in das Eurosystem bergen, wenn grenzübergreifende Finanztransaktionen beschränkt würden. Zielführender könnten Ansätze sein, die Risiken entweder höher zu vergüten, indem man einen Zinssatz oberhalb des Refinanzierungssatzes wählt, oder das meist eher geringe Eigenkapital von Zentralbanken zu erhöhen, um einen Kapitalpuffer für den Fall einer Krise zu stärken.

 

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