Viele Menschen mit Diabetes mellitus entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung eine sogenannte diabetische Retinopathie, die sich zu einem behandlungsbedürftigen diabetischen Makulaödem (DMÖ) entwickeln kann / Die Augen, speziell die Netzhaut, sollte regelmäßig im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung untersucht werden, da diabetesbedingte Veränderungen schleichend und oft zunächst ohne einen Sehverlust auftreten können / Ein DMÖ mit Sehverlust sollte möglichst frühzeitig und dauerhaft behandelt werden. Mittlerweile stehen effektive Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die rechtzeitig eingesetzt meist ein gutes Sehvermögen erhalten können / Die Initiative „Das Diabetische Auge“ bietet Menschen mit Diabetes und Angehörigen hilfreiche Informationen, Tipps für den Alltag und die Möglichkeit zum Austausch
 
In Deutschland leben bis zu eine Million Menschen mit einer Sehbehinderung(1) – sie erreichen ohne Brille oder Kontaktlinsen nicht die volle Sehfähigkeit. Auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen, ist das Ziel des nationalen Tages der Sehbehinderten am 06. Juni. Verschiedene Erkrankungen können dazu führen, dass Menschen an Sehkraft verlieren. Viele Menschen mit Diabetes mellitus entwickeln beispielsweise im Verlauf ihrer Erkrankung eine sogenannte diabetische Retinopathie, die sich zu einem behandlungsbedürftigen diabetischen Makulaödem (DMÖ) entwickeln kann. Beim DMÖ handelt es sich um eine eher unbekannte chronische Augenerkrankung als Folge des zugrundeliegenden Diabetes mellitus – hier setzt die Initiative „Das Diabetische Auge“ an, die Betroffenen und Angehörigen Informationen und Tipps zu den Themen Diabetes und Auge anbietet.

Diabetes kann die Augen dauerhaft schädigen

Diabetes mellitus ist eine der größten Volkskrankheiten unserer Zeit: In Deutschland wurde bisher bei etwa 9,5 Millionen Menschen(2) die Krankheit diagnostiziert – Tendenz seit Jahren weiter steigend. „Diabetes kann verschiedene Folgeerkrankungen verursachen – auch die Augen können davon betroffen sein. Deshalb ist es so wichtig, das Bewusstsein für diabetesbedingte chronische Augenerkrankungen zu schärfen“, sagt Dr. med. Georg Spital, Facharzt für Augenheilkunde im Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital Münster. Der Augenarzt rät, regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen: „Gibt es keine Augenveränderungen, so reicht für Menschen mit Diabetes eine Untersuchung alle ein bis zwei Jahre meist aus. Stellt der Augenarzt Auffälligkeiten fest, oder liegen Sondersituationen, wie eine Blutzuckerneueinstellung, eine Schwangerschaft oder ähnliches vor, so können häufigere Termine nötig sein.“

Wenn es bereits zu Veränderungen der Blutgefäße an der Netzhaut im Auge gekommen ist, verwenden Mediziner den Fachbegriff „diabetische Retinopathie“ (DR). Aktuelle Daten aus Deutschland zeigen, dass bis zu 22 Prozent der Patienten mit Diabetes von einer DR betroffen sind.(2) Zu einer DR zählen Durchblutungsstörungen, Neuwachstum von Gefäßen sowie Blutungen im Auge. In manchen Fällen kommt es auch zu Einlagerungen von Flüssigkeit in der Makula, der Stelle des schärfsten Sehens in der Netzhautmitte. In der Fachsprache wird diese Form der Augenerkrankung „diabetisches Makulaödem“ (oder kurz: DMÖ) genannt. Oft nehmen Betroffene Konturen verschwommen wahr, Farben können verblassen, Kontraste verflachen und die zentrale Sehschärfe lässt nach. Unbehandelt kann die diabetische Netzhauterkrankung bis zu einer Erblindung führen.

DMÖ früh und regelmäßig behandeln

Kommt es zu der Folgeerkrankung DMÖ, ist eine frühe Behandlung entscheidend für den optimalen Erhalt der Sehfähigkeit. Dr. Spital warnt davor, einfache Besuche beim Optiker als Ersatz für augenärztliche Vorsorge anzusehen: „Die Erfahrung zeigt, dass viele Menschen glauben, es sei alles in Ordnung, wenn eine Brille oder Kontaktlinsen Sehschwächen beseitigen können. Doch das ist ein Trugschluss. Behandlungsbedürftige diabetische Netzhautveränderungen können auch schon vorliegen, wenn der Patient noch keine Sehveränderung bemerkt.“ Der Arzt kann ein DMÖ so bereits zu einem frühen Zeitpunkt feststellen – dazu wird der Augenhintergrund mit speziellen Geräten schmerzfrei angeschaut.

„Je früher eine diabetische Retinopathie und ggf. ein DMÖ erkannt wird, desto besser. Wir können dann die Erkrankung gut behandeln und unter Kontrolle bekommen. Ziel der Therapie ist es, die Sehfähigkeit der Patienten zu erhalten oder sogar zu verbessern“, sagt der Augenarzt. Bei der Behandlung eines DMÖ mit Sehverlust kommen häufig sogenannte VEGF-Hemmer zum Einsatz. VEGF (Vascular Endothial Growth Factor) ist ein wesentlicher Faktor bei der Ausbildung der diabetischen Netzhautveränderungen. Es fördert das Wachstum krankhafter Gefäßeinsprossungen und die Entstehung eines DMÖ. Wird dieser Faktor bei der Behandlung gehemmt, so können die Diabetesfolgen am Auge oftmals aufgehalten werden und das Makulaödem zurückgehen. Der Wirkstoff, mit dem das erreicht werden kann, wird dabei mit einer feinen Nadel direkt ins Auge gespritzt. „Dabei handelt es sich um einen ambulanten Routineeingriff, der in der Regel keine Schmerzen bereitet“, erklärt Dr. Spital. Für den Erfolg der Behandlung ist es wichtig, so früh wie möglich mit der Behandlung zu beginnen und die Behandlung konsequent fortzuführen, da es sich um eine chronische Erkrankung handelt. Damit steigt die Chance, bereits vorhandene Sehverluste sogar teilweise wieder rückgängig machen zu können.

Neben den regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen ist eine gute Einstellung des Blutzuckers die beste Vorbeugung. „Menschen mit Diabetes sollten aber nicht nur ihre Blutzuckerwerte, sondern auch den Blutdruck im Auge behalten, denn er spielt bei der Entwicklung eines DMÖ ebenso eine wichtige Rolle“, ergänzt Spital. Außerdem rät der Experte, sich ausgewogen zu ernähren, regelmäßig zu bewegen und auf Zigaretten zu verzichten.

Die Initiative „Das Diabetische Auge“ informiert und bringt Menschen zusammen

Für Menschen mit Diabetes ist es wichtig, sich mit der Erkrankung und ihren Folgen zu beschäftigen, um informierte Entscheidungen treffen zu können.(3),(4) Außerdem kann der Austausch mit Gleichgesinnten helfen, Mut machen und motivieren. Die Initiative „Das Diabetische Auge“ vom Zentrum für berufliche Bildung blinder und sehbehinderter Menschen (BFW Düren), der Initiativgruppe „Früherkennung diabetischer Augenerkrankungen" (IFDA), der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Auge (AGDA) und Bayer bietet beides: Sie möchte Betroffene und Angehörige zusammenbringen und über die Themen Diabetes und Auge informieren. Die gleichnamige Facebookseite der Initiative (www.facebook.com/dasdiabetischeauge) hat schon mehr als 20.000 Abonnenten, die sich miteinander austauschen.

Hilfreich ist auch die Internetseite www.das-diabetische-auge.de. Sie bietet umfassende und fundierte Informationen zur Vorbeugung, Früherkennung, Diagnose und Behandlung des DMÖ sowie zahlreiche Hilfestellungen zum besseren Umgang mit möglichen Sehbeeinträchtigungen im Alltag und Beruf. Außerdem finden Patienten eine Reihe von persönlichen Videos – von regelmäßigen Augenarztbesuchen bis hin zur Beratung von Hilfsmitteln.

Helfer für mehr Selbstständigkeit im Alltag

Oft wissen Patienten nicht, dass es auch für den Fall eingetretener und nicht mehr therapeutisch verbesserbarer Sehstörungen praktische Alltagshilfen gibt, die Krankenkassen je nach Schwere der Sehbehinderungen ganz oder zumindest teilweise bezahlen. Bildschirmlesegeräte, elektronische Lupen oder Fernrohrbrillen machen es zum Beispiel möglich, dass Menschen mit einer Sehbehinderung ihren Alltag selbstständiger meistern können. Mehr Farbe ins Leben bringen sogenannte Daisy-Player. Das sind Abspielgeräte, mit denen man sich Bücher aus Hörbüchereien vorlesen lassen kann. Die App „KNFB-Reader“ liest im Restaurant Speisekarten vor, „Be my eyes“ bringt sehbehinderte Menschen mit Freiwilligen zusammen. Sie leihen quasi ihre Augen in Echtzeit, wenn jemand Schwierigkeiten hat, etwas zu erkennen. Weitere praktische Helfer gibt es unter www.das-diabetische-auge.de.

(1) Mauschitz, M.M. et al. Epidemiologie hochgradiger Sehbehinderungen und Blindheit älterer Menschen in Deutschland. Ophthalmologe 116, 201–212 (2019). https://doi.org/10.1007/s00347-019-0853-y
(2) Raum et al. (2015) Prevalence and Cardiovascular Associations of Diabetic Retinopathy and Maculopathy: Results from the Gutenberg Health Study. PLoS ONE 10(6): e0127188. doi: 10.1371/journal.pone.0127188
(3) Ehlken et al. (2020) Systematic review: non-adherence and non-persistence in intravitreal treatment. https://doi.org/10.1007/s00417-020-04798-2
(4) Lommatzsch et al. (2020) Adhärenz bei der Anti-VEGF-Therapie – Überlegungen und praktische Empfehlungen. https://doi.org/10.1007/s00347-020-01273-5

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