Schmerzen und Wohlfühlen

„Wie geht es dir?“ Ständig bekommen wir diese Frage gestellt und meistens antworten wir mit einem kurzen „Gut. Und dir?“.  Nur sehr selten denken wir darüber nach, wie es uns geht. Und was bedeutet es eigentlich, wenn wir sagen, es geht mir gut. Was steckt hinter unserem Wohlbefinden?
Wenn wir verstehen, was Wohlbefinden bedeutet und wie viele Facetten es beinhaltet, können wir uns aktiv um unser Wohlbefinden kümmern. Und zwar ganzheitlich und mit allem, was dazu gehört. Und vielleicht schaffen wir es, bei der nächsten Gelegenheit, differenzierter und ehrlicher zu antworten.

Was bedeutet Wohlbefinden?

Wohlbefinden beschreibt die Zufriedenheit, die nachhaltige Zufriedenheit mit dem eigenen Leben. Dabei umfasst es die Ebenen des Individuums, der Wahrnehmung, Kognition und Emotionen. Wenn wir also vom ganzheitlichen Wohlbefinden sprechen, geht es um die mentale, physische und soziale Ebene, die neben beruflichen Erfolgen und sozialer Anerkennung auch Themen wie Selbsterfüllung impliziert. Es gilt also, die unterschiedlichen Ebenen zu berücksichtigen. Wissenschaftlich werden zwei Perspektiven unterschieden: das hedonistische und eudaimonische Wohlbefinden. Bei der hedonistischen Perspektive wird Wohlbefinden mit positiven Affekten, Glück und Lebenszufriedenheit betrachtet. Bei der eudaimonischen Perspektive werden die positiven psychologischen Funktionen sowie Erfahrungen und Weiterentwicklung berücksichtigt.

Wohlbefinden aus neurozentrierter Perspektive

Das Neurozentrierte Training betrachtet die menschliche Leistungsfähigkeit und damit auch das Wohlbefinden als eine Form des Outputs des Nervensystems.
Generell hat dein Nervensystem die Aufgabe, dein Überleben zu sichern. Damit es das kann, ist es für drei Schritte verantwortlich:

1.    Es nimmt Informationen auf: Input

  •  Aus der Umwelt = Exterozeption
  • Aus dem Körperinneren: Interozeption
  • Über die Position des Körpers im Raum: Propriozeption

2.    Es verarbeitet und interpretiert diese Informationen: Integration 
3.    Es sendet eine Reaktion auf die Verarbeitung: Output

  • Bewegung
  • Schmerz
  • Wohlbefinden
  • Müdigkeit
  • Antriebslosigkeit
  • Immunreaktion
  • Stress

Betrachten wir Wohlbefinden also als das Ergebnis der verarbeiteten Informationen, die unser Körper aufnimmt, können wir unser Wohlbefinden beeinflussen.
Vereinfacht gesagt geht es dabei immer darum, die Qualität und Quantität der aufgenommenen Informationen zu verbessern und darüber die Interpretation zu optimieren.

Beispiel:

Stell dir vor, du bewegst dich wenig, verbringst den ganzen Tag drinnen, bekommst kaum frische Luft und sitzt stundenlang vor dem Rechner. Dein Körper bekommt dadurch wenig Informationen aus der Umwelt, weil sich deine Umwelt ja kaum verändert. Die Informationen aus der Interozeption und Propriozeption sind aufgrund der geringen Bewegung und Umgebungsveränderung ebenfalls niedrig. Dein Gehirn hat also wenig Daten, die es verarbeiten kann.
Gehst du hingegen mehrfach am Tag raus an die frische Luft, machst Sport, bewegst dich vielseitig und wechselst die Umgebung, bietest du deinem Körper viele unterschiedliche Informationen an, die er verarbeiten kann. Deine Augen nehmen immer wieder neue Daten auf, schauen in die Ferne, verfolgen vorbeiziehende Autos oder Häuser. Dein Gleichgewichtssinn bekommt mit jedem Schritt und jeder Bewegung neue Reize zum Verarbeiten. Deine Körperposition passt sich ständig an, entsprechend wird auch deine Körperhaltung unentwegt korrigiert. Dein Gehirn bekommt also vielseitige Informationen und kann diese miteinander verbinden.
Je mehr und je klarer die Informationen sind, die dein Gehirn zum Verarbeiten bekommt, umso besser kann es die tatsächliche Bedrohung einschätzen. Und das wirkt sich positiv auf das Wohlbefinden aus.

Dabei ist die Verarbeitung der Informationen individuell. Jeder Mensch hat andere Erfahrungen gemacht, andere körperliche Grundvoraussetzungen und Potenziale. Daher ist es für das Verständnis des eigenen Wohlbefindens wichtig, dessen subjektive Wahrnehmung zu beachten. Während kaltes Wasser manche entspannen lässt, löst es bei anderen Stress aus. Genauso ist es auch bei Schmerzen. Die Wahrnehmung von Schmerz ist individuell und wird durch das Wohlbefinden beeinflusst. Studien zeigen sogar einen positiven Einfluss auf Schmerzen, wenn Personen eine positive Grundeinstellung zum Leben innehaben.
Und da sowohl Wohlbefinden als auch Schmerzen durch subjektive Wahrnehmung, psychologische und soziale Faktoren beeinflusst werden, ist dies ein wirksamer Ansatz im Umgang mit Schmerzen.

Wie kannst du dein Wohlbefinden steigern?

Wie immer – es kommt darauf an. Es gibt nicht die eine Regel, die für alle gilt. Wie bereits beschrieben, ist dein Körper individuell.
Dennoch gibt es generelle Faktoren, die das Wohlbefinden und auch Schmerzen positiv beeinflussen können. Hier mal meine persönlichen Top-5-Tipps, die ich auch meinen Kund:innen immer mitgebe:

1.    Bewege dich vielseitig und oft. 
Egal ob du gerne Laufen gehst, dich im Fitnessstudio an Geräten austobst, im Verein dein Team antreibst, mit dem Hund Gassi gehst, beim Tischtennis deine Nachbar:innen herausforderst oder mit deinen Kindern auf dem Spielplatz tobst. Ob Kampfsport, Ballsport, Tanzen oder Krafttraining – völlig egal. Hauptsache es macht dir Spaß und lässt dich auch mental abschalten. Und ja, das Treppensteigen gehört auch dazu. Viel zu oft werden diese täglichen Kleinigkeiten unterschätzt, die sich zu großem zusammenfügen. Viel zu oft werden diese täglichen Optionen unterschätzt, die aber langfristig einen Unterschied machen.

2.    Schlafe genügend. 
Ein Aspekt, den ich selber jahrelang eher belächelt habe und großkotzig meinte, 4-6 Stunden Schlaf reichen mir. Selbst wenn es das subjektive Empfinden ist, brauchen wir genügend Schlaf, um zu regenerieren. In der Regel sind das 7-9 Stunden pro Nacht. Alles andere ist Raubbau am eigenen Körper, vor allem am Gehirn. Studien weisen immer mehr auf den direkten Zusammenhang zwischen Schlafmangel und Abbauprozessen im Gehirn hin.

3.    Esse ausgewogen und regelmäßig. 
Gesunde Ernährung ist die Grundlage von Gesundheit. Unser Körper baut jede Zelle des Körpers aus dem auf, was wir zu uns nehmen. Stark vereinfacht ist also jeder Gedanke, jede Entscheidung, jedes Haar, jede Haut-, Darm-, Augen- oder Muskelzelle aus dem zusammengesetzt, was wir an Energie zu uns nehmen. Seit ich das für mich bildlich verankert habe, fallen mir viele Entscheidungen leichter. Außerdem die schöne alte Bauernweisheit: Iss nur das, was deine Großeltern auch als Essen erkannt hätten. Damit fallen stark verarbeitete Fertiggerichte und Co. automatisch weg. Und Lebensmittel saisonal und regional auszuwählen, kann sicher nicht schaden.

4.    Finde deine dynamische Balance
Dein Körper und besonders dein Nervensystem sind auf die dynamische Balance aus Anspannung und Entspannung ausgelegt. Dein Anspannungssystem, auch Sympathikus genannt, wird durch dein Entspannungssystem, den Parasympathikus, ausgeglichen. Die beiden verhalten sich wie eine Waage, geht der eine hoch, reguliert sich der andere runter. Das spannende: wir können aktiv nur den Sympathikus beeinflussen. Wenn wir also unter Dauerstress stehen, gelingt es unserem Ruhe- und Regenerationsmodus nicht, richtig zu arbeiten. Dafür sind gezielte und bewusste Auszeiten und Regenerationszeiten wichtig. Das muss nicht faules Auf-der-Couch-liegen sein. Ich bevorzuge aktive Pausen, idealerweise an der frischen Luft, in der Natur. Manchmal reicht aber auch einfach ein bewusstes, tiefes Durchatmen am offenen Fenster. Finde für dich persönlich den Ausgleich, den du und dein Körper brauchen.

5.    Pflege soziale Kontakte
Der Mensch ist ein soziales Wesen und braucht die soziale Interaktion, um im Einklang mit sich und der Umwelt zu stehen. Das bedeutet nicht, dass du dich ständig von einer Veranstaltung zur nächsten schleppen musst. Gezielte und ausgewählte Kontakte, die dir guttun, statt Energie zu rauben, gilt es zu pflegen. Vielleicht kennst du das: Nach einem Treffen oder Telefonat mit einer Person fühlst du dich ausgelaugt. Ich spreche dann von Energieräubern. Streiche diese aus deinem Leben. Investiere lieber in Personen, die dich ermutigen, die dir neue Perspektiven geben, die dich herausfordern und fördern. Wenn du nach einem Gespräch ein Grinsen im Gesicht hast, ist das ein gutes Anzeichen, diese Person häufiger in deinen Kalender einzutragen. 

Über Parkinson Journal

Das Parkinson Journal, vor drei Jahren als Blog des selbst an Parkinson erkrankten Jürgen Zender ins Leben gerufen, ist mittlerweile eine einzigartige Sammlung von Informationen und Tools rund um das Thema Morbus Parkinson geworden. Seine zahlreichen Beiträge (Texte, Videos, Ratgeber, Verzeichnisse oder Podcasts ), geschrieben oder produziert von namhaften Autoren oder Betroffenen selbst, sind über die Jahre zum Wegbegleiter vieler Betroffener, Angehöriger und Ratsuchender geworden. Wenn der Trend so bleibt, wie er sich bereits heute abzeichnet, werden das Parkinson Journal in diesem Jahr erstmals über 200.000 Seitenaufrufe erleben und auf Instagram die 7.000 Follower Marke überschreiten.

Es wird geschätzt, dass in Deutschland etwa 10 % der Parkinson-Kranken in Selbsthilfegruppen organisiert sind oder zumindest gelegentlich deren Angebote nutzen.

Das sind 40.000 von 400.000 Erkrankten. Es ist eines unserer Ziele, diese Zahl dauerhaft und stetig zu erhöhen, denn der Austausch mit „Leidensgenossen“, das reichhaltige Informationsangebot, die neu entstehenden Freundschaften, Sportarten, die man plötzlich (wieder) für sich entdeckt, die selbstgewählte Isolation, die man verlässt … all das sind gute Gründe, sich einer der zahlreichen Selbsthilfegruppen anzuschließen. Neben Beiträgen aus und über die Szene hilft uns dabei maßgeblich unser Verzeichnis der Parkinson-Selbsthilfegruppen und der Parkinson-Event-Kalender.

Für alle anderen, die noch nicht bereit sind, sich zu öffnen, wollen wir weiterhin ein Fenster zur Parkinson-Welt sein, deren Bewohner sie ohne eigenes Zutun geworden sind, und sie mit Wertschätzung und mit Herz und Verstand informieren.

Das zweite Ziel, das uns sehr am Herzen liegt, ist das Bewusstsein für Bewegung als eine der wenigen erfolgversprechenden, nicht medikamentösen Therapien zu schärfen. Immer mehr Studien zeigen, dass Sportarten wie Tischtennis, Nordic Walking, selbst Boxen einen positiven Einfluß auf die Symptomatik und Progredienz der bisher unheilbaren Krankheit haben.

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