Die Anzahl der Tiere in der Hauptstadt, die für Versuchszwecke gehalten werden, ist nach Aussage der Vereine Ärzte gegen Tierversuche und Tierversuchsgegner Berlin-Brandenburg (TVGBB) mit über 600.000 Tieren nicht nur sehr hoch, sondern die einzelnen Tierarten werden zudem von den Behörden nicht exakt erfasst. Dies geht aus einer von TVGBB angeforderten Liste des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) des Landes Berlin hervor, die die Tierversuchseinrichtungen mit den jeweiligen Tierzahlen aufführt. Nachfragen an die Verantwortlichen sind bis heute teilweise unbeantwortet, so dass nach wie vor keine Klarheit herrscht, wie die Vereine kritisieren.

Die Anzahl der Wirbeltiere sowie Kopffüßer, die zu Versuchszwecken gehalten werden, muss von den jeweiligen Institutionen regelmäßig an die zuständigen Behörden gemeldet werden. Dabei ist auch die maximale Kapazität dafür entscheidend, wie viele Tiere einer Tierart an einem Standort gehalten werden dürfen. In Berlin nun ist die Gesamtzahl von über 600.000 Tieren (Stand: Mai 2023) nicht nur sehr hoch, sondern offenbart Ungereimtheiten. 

Besonders heraus sticht das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das an drei Standorten eine Vielzahl verschiedener Tierarten in teils größerer Anzahl halten kann. Darunter sind 90 Schafe, 80 Ziegen, 90 Rinder, 170 Schweine, 600 Hühner, 65 Puten, 100 Meerschweinchen und 50 Kopffüßer. Auch andere Institutionen wie die Charité, Abteilung für Experimentelle Medizin, haben Kapazitäten für 22 Hunde und 170 Schweine. Ebenso die Bayer AG, die unter anderem 20 Hunde und 40 Schweine angibt. Neben Mäusen, Ratten und Fischen, die den Großteil der Tiere in den Laboren ausmachen, können auch zahlreiche andere Tiere wie Pferde, Goldhamster, Katzen und Enten in teils recht hoher Zahl für Versuchszwecke gehalten werden. 

1.800 Fische, die im BfR gehalten werden können, wurden versehentlich aus der Liste gestrichen, da sie „unter anderer Haltungserlaubnis“ geführt werden. „Solche Fehler werfen Zweifel an der Genauigkeit der offiziellen Daten auf und erschüttern das Vertrauen in die Behörden“, so Diplom-Biologin Julia Radzwill, wissenschaftliche Referentin bei Ärzte gegen Tierversuche. Auch an anderer Stelle besteht Grund zur Kritik: „Trotz Nachfrage werden Unklarheiten nicht oder nur ausweichend beantwortet – warum z.B. das Max-Delbrück-Zentrum von 15.000 Hamstern in 2021 auf nur 15 Hamster in 2023 kommt, konnte auch nach 4 Wochen nicht beantwortet werden. Auch die Firma Nuvisan hat keine plausible Erklärung parat, warum noch 2021 die Anzahl von 7.000 Kaninchen an die Behörden weitergegeben wurde, sich aber im Juli 2023 kein einziges Kaninchen in deren Tierhaltung befinden soll. „Die Klarheit und Transparenz der Berichterstattung sowohl bei den Institutionen als auch Behörden müssen verbessert werden, um einen der Realität entsprechenden Überblick über die tatsächliche Anzahl und die Bedingungen der gehaltenen Tiere zu gewährleisten,“ so Christiane Neuhaus von TVGBB.

Zudem lassen unpräzise Angaben in der Übersicht der Haltungskapazitäten wie “180 Mäuse oder 72 Ratten oder 12 Tupaias“ Raum für Missinterpretationen und Verschleierung der tatsächlichen Anzahl und Art der Tiere.

Dass sich die Haltungskapazitäten im Vergleich zu 2021 nicht verändert haben sollen, steht auch im starken Gegensatz zu Bestrebungen von Politik, Behörden und Tierversuchsinstitutionen, Tierversuche reduzieren und ersetzen zu wollen. „Aber die Realität sieht anders aus“, resümiert Julia Radzwill. Positiv dagegen sehen die Vereine das neue Forschungszentrum Si-M, der Simulierte Mensch, welcher humanbasierte Forschung in den Mittelpunkt stellt. „Es ist an der Zeit, die Forschung in Berlin weiter auf zukunftsweisende und vielversprechende Techniken zu lenken – weg von veralteten Tierexperimenten“, so die Biologin abschließend.

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