Wie wurden in der Frühen Neuzeit Fremdsprachen gelernt und vermittelt? Eines der charakteristischen Merkmale des heutigen Europa ist die sprachliche Vielfalt, die historisch tief verwurzelt und seit der Hinwendung zu den Volkssprachen in praxisorientierten Fremdsprachenlehrwerken greifbar ist. Ein neues Vorhaben der Akademie der Wissenschaften und der Literatur / Mainz und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erfasst und untersucht diese historischen Fremdsprachenlehrwerke aus der Zeit des 15. bis 17. Jahrhunderts. Zum Jahresbeginn nahm das von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) des Bundes und der Länder bewilligte Langzeitvorhaben seine Arbeit auf: ›Historische Fremdsprachenlehrwerke digital. Sprachgeschichte, Sprachvorstellungen und Alltagskommunikation im Kontext der Mehrsprachigkeit im Europa der Frühen Neuzeit (FSL digital)‹. Es wird geleitet von Prof. Dr. Horst Simon, (Freie Universität Berlin), Prof. Dr. Natalia Filatkina (Universität Hamburg) und Prof. Dr. Andrea Rapp (Technische Universität Darmstadt).

Für den Erwerb einer oder mehrerer Fremdsprachen waren diese Werke in der Frühen Neuzeit von großer Bedeutung und fanden weite Verbreitung. Verfasst wurden sie von sogenannten Sprachmeistern – oft Kaufleute, Handwerker und Soldaten mit intensiven Reise- und Migrationserfahrungen. Sie spiegeln die europaweite sprachliche Interaktion in der Vormoderne wider und sind eine wertvolle Quelle für die kultur-, wissens- und sprachhistorische Forschung. Mit dem Neuvorhaben werden diese Lehrwerke erstmals umfassend systematisch untersucht.

Das Vorhaben will die praktischen Formen der Vermittlung des Wissens über die Volkssprachen sowie der schriftlichen und vor allem der mündlichkeitsnahen Alltagskommunikation im mehrsprachigen Kontext des frühneuzeitlichen Europa anhand dieser Quellen erschließen und untersuchen. In diesem Rahmen wird das gesamte überlieferte Material von über 1000 Lehrwerken, in dem das Deutsche eine der Sprachen ist, als Volltext digital erschlossen, nachhaltig aufbereitet und für weitere Analysen bereitgestellt. Damit wird es zum ersten Mal möglich sein, die historischen Wurzeln der heutigen Mehrsprachigkeit in Europa aus der Perspektive alltagssprachlicher Praxis des Fremdsprachenerwerbs und der Fremdsprachen- und Wissensvermittlung in der Frühen Neuzeit zu beantworten.

Das Projekt ist auf 18 Jahre angelegt und wird mit Arbeitsstellen in Berlin, Hamburg und Darmstadt vertreten sein.

Das Vorhaben ist Teil des von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) des Bundes und der Länder beschlossenen Akademienprogramms 2024 der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften mit einem Gesamtvolumen von rund 77 Millionen €. Das Programm dient der Erschließung, Sicherung und Vergegenwärtigung unseres kulturellen Erbes und ist eines der größten geisteswissenschaftlichen Forschungsprogramme der Bundesrepublik Deutschland. Es wird von Bund und Ländern gemeinsam finanziert.

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