„Im Gesundheitswesen ist die Digitalisierung in vollem Gange“, macht Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident der Landesärztekammer Hessen, deutlich. Dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit einem neuen Gesetz digitale Anwendungen und Innovationen in die Patientenversorgung einbringen wolle, sei deshalb nur konsequent. Doch der Referentenentwurf des „Digitale Versorgung Gesetzes“ (DIGA) müsse dringend überarbeitet werden, da dieser die Bedürfnisse von Patienten und Ärzten bisher außer Acht lasse. „Wenn der Gesetzgeber in die ärztliche Tätigkeit eingreifen und die Patientensteuerung in die Hände der Krankenkassen legen will, muss er mit ärztlichem Widerstand rechnen“, kündigt Pinkowski an.

So sollen Krankenkassen laut Gesetzentwurf als „Treiber für digitale Versorgungsinnovationen“ gestärkt werden. „Hinter dieser Worthülse verbirgt sich, dass die Kassen künftig individuelle Versorgungsbedarfe von Sozialdaten ableiten dürfen, um mit Leistungsanbietern Verträge abschließen zu können“, erklärt Pinkowski. Dies sei ein eklatanter Eingriff in die Kernkompetenz von Ärztinnen und Ärzten, denn individuelle Versorgungsbedarfe ließen sich nur nach gründlicher ärztlicher Anamnese, Diagnose- und Indikationsstellung feststellen. „Krankenkassen sind Kostenträger und erbringen keine medizinischen Leistungen. Wir fordern daher die Streichung dieses Passus.“

Auch müsse der Gesetzgeber ausschließen, dass digitale Anwendungen, wie beispielsweise Apps, von den Krankenkassen ohne Einbindung eines behandelnden Arztes direkt an ihre Versicherten weitergegeben werden. „Nach wie vor steht die vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung im Mittelpunkt des Gesundheitswesens, daran darf sich auch durch die Digitalisierung nichts ändern. Wichtig ist außerdem, dass die Nutzung digitaler Anwendungen durch Patienten ausschließlich auf freiwilliger Basis erfolgt“, betont Pinkowski. Digitale Patientendaten müssten gegen unbefugten Zugriff technisch bestmöglich gesichert sein.

Die angedrohten Sanktionen gegen Ärzte weist der hessische Ärztekammerpräsident entschieden zurück. So sieht der DIGA-Entwurf Honorarkürzungen um 2,5 Prozent für Ärzte vor, die zum 1. März 2020 kein Versichertenstammdatenmanagement durchführen. Vertragsärzten, die bis zum 30. Juni 2021 nicht über die notwendigen Komponenten und Dienste verfügen, um auf die elektronischen Patientenakten (ePA) zuzugreifen, drohen ebenfalls Honorarkürzungen. „Der 122. Deutsche Ärztetag hat sich für die schrittweise Einführung der elektronischen Patientenakte ausgesprochen“, betont Pinkowski. „Die Verhängung staatlicher Sanktionen ist jedoch der falsche Weg, um Ärzte zu überzeugen und einen fristgerechten Einsatz der digitalen Technik zu erzwingen.“ Wie bereits die Bundesärztekammer spricht sich auch Pinkowski dafür aus, digitale Anwendungen zunächst in einer Erprobungsregion zu testen.

In diesem Zusammenhang äußert Pinkowski Unverständnis für die Entscheidung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, den Pharmamanager Dr. med. Markus Guilherme Leyck Dieken zum neuen Alleingeschäftsführer der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) zu bestellen und ihm ein doppelt so hohes Salär wie seinem Vorgänger, dem bisherigen Geschäftsführer Alexander Beyer, zu zahlen. Der Wechsel in der Geschäftsführung war vom neuen Mehrheitsgesellschafter der gematik, dem Bundesgesundheitsministerium (BMG), betrieben worden. „Stellt die Neubesetzung mit einem Manager aus der Pharmaindustrie tatsächlich einen „notwendigen, ausreichenden und wirtschaftlichen“ Umgang mit Steuergeldern dar?“, fragt Pinkowski. „Erhofft sich Spahn von der Verdoppelung des Gehalts etwa eine Verdoppelung der Leistung?“

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