Auf der einen Seite entsorgen Industrie, Handel und Verbraucher jährlich fast 11 Mio. Tonnen an Lebensmitteln mit einem Gesamtwert von rund 21 Milliarden Euro. 61 Prozent der weggeworfenen Lebensmittel stammen dabei laut einer vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Studie aus Privathaushalten. Auf der anderen Seite gehen viele Verbraucher ganz neue Wege beim Einkauf oder der Beschaffung von Lebensmitteln. ARAG Experten haben sich einmal umgeschaut.

Nachernte: Ab auf den Acker
Nach der Erntezeit fangen Landwirte in der Regel sofort wieder an, die Äcker und Felder auf die nächste Saison vorzubereiten. Das restliche Gemüse, das vielleicht kleine Schönheitsfehler aufweist, pflügen sie unter. Wenn es Sie aber nicht stört, dass die Kartoffeln zu klein oder die Gurken krumm sind, können Sie den Landwirt fragen, ob Sie sich an den übrig gebliebenen Lebensmitteln bedienen dürfen. Auf einem Feld einfach so zuzugreifen, ist dagegen nicht nur keine gute Idee, sondern Diebstahl. Der Geschädigte kann bei einem Wert von unter 50 Euro entscheiden, ob er den Diebstahl zur Anzeige bringt. Liegt der Wert des Diebesgutes höher, wird automatisch Anzeige erstattet. Wiederholungstätern kann sogar eine Freiheitsstrafe oder eine Verhaltenstherapie auferlegt werden.

Einige Bauern laden aktiv zur Nachernte auf ihren Feldern ein. Der Bioland Lammertzhof in der Nähe von Düsseldorf veranstaltet zum Beispiel schon seit vier Jahren Nachernte-Aktionen, bei denen Besucher das selbst geerntete Gemüse kostenlos mitnehmen können.

Beste-Reste-App
Im Rahmen ihrer Initiative ‚Zu gut für die Tonne‘ hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine App entwickelt, mit der man die Reste aus dem Kühlschrank zu einer leckeren Mahlzeit verarbeiten kann. Knapp 700 Reste-Rezepte, auch von Prominenten und Sterneköchen, sind in der Datenbank enthalten. Wer ein eigenes Reste-Rezept hat, das er teilen möchte, kann es auf der ‚Zu gut für die Tonne‘-Seite eingeben und dort auch die App herunterladen. Auch Tipps zur Vermeidung von Verschwendung und für Einkauf und Lagerung der Lebensmittel sind in der App enthalten.

Too Good To Go
Eine weitere gute Idee vom gleichnamigen Berliner Startup-Unternehmen hat das gleiche Ziel. Mit der angebotenen App können Verbraucher für wenig Geld übrig gebliebene Waren bestellen. Darin enthalten: Überschüssiges und unverkauftes Essen von Restaurants, Hotels, Bäckereien oder Supermärkten. Nur manchmal kann man sich sein Essen selbst aussuchen. Genommen wirdeben, was vom Tage übrig geblieben ist. Man bestellt online und muss zu einem fest vereinbarten Zeitpunkt am Abholort erscheinen. Gezahlt wird ausschließlich unbar. In der Regel bekommt man das gerettete Essen zur Hälfte oder einem Drittel des Normalpreises. Manche Anbieter sind dabei äußerst großzügig, aber dann sind die Portionen auch schnell vorbestellt und ausverkauft. Ähnlich wie Too good to go funktioniert der in Finnland gegründete ResQ Club, der in Berlin und Duisburg aktiv ist.

Gute Idee: Selber Lebensmittel retten
Das funktioniert besonders gut in Städten. Verbraucher holen regelmäßig Lebensmittel von Obst und Gemüse über Kühlware bis zu Brot und Brötchen, die entsorgt werden müssten, bei Supermärkten oder auf Großmärkten ab. Sie behalten und verbrauchen sie entweder selbst oder geben sie weiter an gemeinnützige Organisationen, in der Nachbarschaft oder über Facebook auch an unbekannte Interessierte.

In Düsseldorf sind beispielsweise die Netzwerke „Foodsharing.de“, das auch deutschlandweit agiert, und „Enjoy the Food“, das sich regional engagiert, sehr aktiv. Beide Organisationen haben unter anderem so genannte Fairteiler-Fahrräder im Stadtgebiet aufgestellt, die sie mit geretteten Lebensmitteln beliefern. Die Räder werden aber auch gerne von Anwohnern genutzt, die Lebensmittel zu viel haben und diese dort ablegen. Ein kleiner Post auf Facebook, und schon kann man sich kostenlos bedienen.

Lebensmittel im größeren Stil rettet in Köln der Laden „The good food“. Dort kann jeder die Lebensmittel wie Brot vom Vortag, nachgeerntetes Bio-Gemüse oder Waren, deren Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, erwerben. Guter Ansatz: Bei den meisten Lebensmitteln bestimmt jeder selbst, was er zahlt. „Zahl, was es dir wert ist“, nennt sich das Konzept. So muss man sich Gedanken zu den Waren machen, die man mitnehmen möchte. Und klar, dass Gutverdiener mehr Geld für Bio-Zitronen und leckeres Ginger Beer hinlegen sollten als ein Auszubildender oder Student.

Containern – weiterhin nicht legal
Weiterhin nicht erlaubt ist es, sich Waren aus den Supermarkt-Müllcontainern zu nehmen. Während in Frankreich die Händler verpflichtet sind, solche Waren abzugeben, landen sie hier im Müll. Wer containert, riskiert in Deutschland eine Strafe wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall. Laut Gesetz steht darauf eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren – auch wenn Gerichte es meist bei einer Bewährungsstrafe bewenden lassen. 

Mindesthaltbarkeitsdatum versus Verbrauchsdatum
Viele Verbraucher verwechseln Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) und Verbrauchsdatum. Beim MHD sagen die Produzenten, bis zu welchem Tag das Lebensmittel bei richtiger Lagerung seine Eigenschaften wie Geruch oder Geschmack behält. In den meisten Fällen ist es aber noch sehr viel länger genießbar. Händler dürfen die Waren auch grundsätzlich noch nach Ablauf des MHD verkaufen.

Lebensmittel mit Verbrauchsdatum wie Hackfleisch, frische Bratwurst und andere frische Fleischprodukte, Fisch, Feinkostsalate und geschnittene Salate hingegen dürfen nach Ablauf nicht mehr verkauft werden und müssen spätestens am Abend des aufgedruckten Datums aus dem Regal oder der Kühltruhe genommen werden. Sie erkennen das Verbrauchsdatum an der Formulierung „zu verbrauchen bis…“   

Foodbox: Lebensmittel bedarfsgerecht liefern lassen
Es gibt mittlerweile viele Anbieter von so genannten Food- oder Kochboxen. Der Ablauf ist aber grundsätzlich gleich. Sie suchen sich aus dem Angebot Ihr Lieblingsrezept aus, das Sie demnächst für sich und eine definierte Anzahl an Essern zubereiten möchten. Außerdem können Sie meist wählen, ob Sie sich vegetarisch oder vegan ernähren wollen. Bei größeren Anbietern können Sie mit den angebotenen Rezepten sogar einer Diät (z. B. Low-Carb) folgen. Sie erhalten dann alle benötigten Zutaten per Paketdienst nach Hause geliefert. In der Regel sind die Zutaten sorgfältig und – falls erforderlich – gut gekühlt verpackt. Die Vorteile: Auf diese Weise erhalten Sie nur genau die Waren, die Sie benötigen. So können Sie sicher sein, dass Sie beim Einkauf keine wichtige Zutat vergessen haben. Die Nachteile: Es fällt beim Versenden möglicherweise Verpackungsmaterial an, das Sie auf einem Bauernmarkt-Einkauf mit Korb oder Einkaufstasche nicht hätten. Die meisten Foodboxen gibt es auch nur im Abo. Sie können aber wählen, wie oft oder in welchen Abständen Sie bestellen wollen. Vielbesteller erhalten von einigen Anbietern Rabatte oder Gutscheine.

Krumme Dinger
Ein Herz für krumme Gurken oder Obst mit Minimacken hat der Anbieter „Etepetete“. In den Obst- und Gemüse-Boxen befindet sich Ware, die nicht den üblichen Schönheits-Normen entspricht. Etepetete wirbt zudem mit plastikfreier Verpackung und CO2 neutralem Versand. Mit ein bisschen Glück bekommt man inzwischen auch schon beim Discounter solche „krummen Dinger“ und kann beim täglichen Einkauf aktiv gegen Lebensmittelverschwendung werden.

Weitere interessante Informationen unter:
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