Alle sechs Wochen berät der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) darüber, ob die Leitzinsen verändert werden oder nicht, so auch am heutigen Donnerstag. Parallel dazu überprüft die EZB aktuell auch ihre grundsätzliche geldpolitische Strategie. Da sich die  tatsächliche Geldpolitik der EZB in den vergangenen Jahren entscheidend weiterentwickelt hat, muss die ausformulierte Strategie im Wesentlichen nur an die derzeit bereits gelebte Praxis angepasst werden, ergibt eine neue Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Sie sieht die Geldpolitik der Notenbank weitestgehend auf der Höhe der Zeit: „Die gegenwärtig praktizierte EZB-Strategie des Inflations-Targeting benötigt nur geringe Anpassungen, um Preisstabilität zu gewährleisten und die allgemeine Wirtschaftspolitik bestmöglich zu unterstützen“, schreiben Prof. Dr. Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des IMK, und Dr. Silke Tober, Expertin für Geldpolitik.*

In der Neuformulierung ihrer Strategie sollte sich die EZB zu ihrer praktizierten Strategie des Inflations-Targeting bekennen. Ein Vorzug dieser Strategie besteht darin, dass die EZB nicht auf Preisschocks reagieren muss, wenn diese die zugrundeliegende Inflationsdynamik nicht berühren. Ein zweiter Vorzug ist, dass die EZB – anders als derzeit aufgrund der Vorgaben von EU-Fiskalregeln und Schuldenbremse die fiskalpolitischen Akteure – ihre Politik nicht an Schätzungen der Produktionslücke ausrichten muss, die ungenau und tendenziell prozyklisch ausfallen. Die Praxis der EZB, eine Vielzahl von Indikatoren zur Abschätzung des gesamtwirtschaftlichen Auslastungsgrades zu verwenden und in ihre Inflationsprognose einfließen zu lassen, ist daher sinnvoll.

In der aktualisierten Strategie sollte die EZB ihr Inflationsziel eindeutig und symmetrisch formulieren. Dies ist wichtig für die Stabilisierung der Inflationserwartungen und die Verwendung des Inflationsziels statt der tatsächlichen Inflation in Lohnverhandlungen. Dullien und Tober halten ein Inflationsziel von 2 Prozent für angebracht. Zudem ist nach Einschätzung des IMK eine Klarstellung wichtig: Die EZB-Strategie muss herausheben, dass Preisstabilität zwar das prioritäre Ziel der EZB ist, ihr Mandat sich aber auch auf die Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik erstreckt.

Die Klarstellung, dass das in den EU-Verträgen verankerte Mandat der EZB nicht zu eng ausgelegt werden darf, hat beispielsweise Konsequenzen für die Berücksichtigung klimapolitischer Aspekte bei der Ausgestaltung der Geldpolitik. Bislang wird bei den EZB-Aufkaufprogrammen und bei den Sicherheiten, die die EZB bei Refinanzierungsgeschäften akzeptiert, nicht danach unterschieden, ob mit diesen Wertpapieren Aktivitäten finanziert werden, die viel CO2 freisetzen oder wenig. Bei den Wertpapierkäufen profitieren derzeit besonders CO2-intensive Unternehmen. Dadurch leide die Effektivität von Maßnahmen für den „Green Deal“. Dullien und Tober verweisen auf das Beispiel der britischen Notenbank, die kürzlich mit Verweis auf ihr Mandat angekündigt hat, künftig bei Anleihekäufen den CO2-Fußabdruck zu berücksichtigen.

In ihrer Untersuchung klopfen Dullien und Tober verschiedene für die EZB-Strategie derzeit diskutierte Themen ab. Dazu zählt beispielsweise auch die Frage, ob künftig die Entwicklung von Hauspreisen im Inflationsmaß der EZB berücksichtigt werden sollte. Dullien und Tober raten davon ab. Sie argumentieren, dass Hauspreise ein Fremdkörper im Verbraucherpreisindex wären und so genannte makroprudentielle Maßnahmen, also beispielsweise höhere Eigenkapitalanforderungen bei Krediten, ohnehin deutlich besser geeignet seien, um überschießenden Immobilienpreisen entgegenzuwirken.

*Sebastian Dullien, Silke Tober: ECB Strategy: Best Practice and new frontiers. IMK Policy Brief Nr. 105, April 2021. Download: https://www.boeckler.de/pdf/p_imk_pb_105_2021.pdf

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