Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland ist auch im dritten Jahr der Corona-Pandemie noch spürbar beeinträchtigt: Zwar sind die Belastungen nicht mehr so hoch wie während des ersten und zweiten Lockdowns, aber sie liegen durchgehend über den Werten vor der Pandemie. Das gilt für Sorgen und Ängste ebenso wie für psychosomatische Beschwerden. Immer noch leidet jedes vierte Kind unter psychischen Auffälligkeiten. Erneut sind insbesondere Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen betroffen. Während die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit abgenommen haben, rücken neue Krisen in den Vordergrund. Das sind die Ergebnisse der fünften Befragung der sogenannten COPSY-Studie (Corona und Psyche) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Die COPSY-Studie ist die erste bevölkerungsbasierte Längsschnittstudie bundesweit und gehört auch international zu den wenigen Längsschnittstudien.

„Auch, wenn die psychischen Beschwerden langsam zurückgehen, sind sie immer noch häufiger als vor der Corona-Pandemie. Daher brauchen wir jetzt niedrigschwellige, nachhaltige und langfristige Konzepte und Strukturen, um Kinder und Jugendliche mit psychischen Belastungen aufzufangen und ihnen Hilfen anzubieten. Das ist wichtig, um für zukünftige Krisen gewappnet zu sein“, sagt Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der COPSY-Studie und Forschungsdirektorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE. „Es besteht dringender Handlungsbedarf, den belasteten Kindern und Jugendlichen zu helfen, damit sie psychisch wieder gesunden und im späteren Erwachsenenleben keine Langzeitschäden entwickeln. Unser besonderes Augenmerk benötigen benachteiligte Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen, die überdurchschnittlich betroffen sind.“

Lebensqualität, psychische und psychosomatische Auffälligkeiten in der fünften Befragung (Herbst 2022)

Gaben bei den ersten beiden Befragungen der COPSY-Studie während der Lockdowns im Jahr 2020 fast 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen an, eine geminderte Lebensqualität zu haben, sind es aktuell noch rund 27 Prozent. Auch der Anteil von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Auffälligkeiten nimmt langsam ab und liegt bei etwa 23 Prozent – gegenüber einem Spitzenwert von rund 31 Prozent während des zweiten Lockdowns zum Jahreswechsel 2020/2021. Insgesamt hat sich die allgemeine psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen bis Herbst 2022 verbessert, doch die Werte für psychische Auffälligkeiten liegen noch immer deutlich über denen vor der Corona-Pandemie. Dies gilt ebenso für Symptome von Ängstlichkeit sowie psychosomatische Beschwerden. Reizbarkeit, Schlafprobleme, Niedergeschlagenheit und Nervosität sind immer noch deutlich stärker ausgeprägt als vor der Pandemie. Jedes zweite Kind ist mindestens einmal wöchentlich von Kopf- oder Bauchschmerzen betroffen. Allein die Symptome für Depressivität sind wieder auf das Niveau vor der Pandemie gesunken.

Neue Auslöser für psychische Probleme

Die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit scheinen nach drei Jahren etwas abgenommen zu haben. Die Kinder und Jugendlichen machen sich mittlerweile weniger Sorgen um Corona – noch 10 Prozent gaben an, dass sie die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen als besorgniserregend und seelisch belastend empfinden. Etwa die Hälfte der Kinder machen sich wegen anderer Krisen Sorgen. Zunehmend scheinen Ukraine-Krieg, Inflation sowie Energie- und Klimakrise die Kinder und Jugendlichen psychisch zu belasten: Zwischen 32 bis 44 Prozent von ihnen äußerten Ängste und Zukunftssorgen im Zusammenhang mit anderen aktuellen Krisen.

Risiken und Ressourcen von Kindern und Jugendlichen bei der psychischen Gesundheit

Kinder und Jugendliche, deren Eltern stark belastet sind, eine geringere Bildung haben, über beengten Wohnraum verfügen und/oder einen Migrationshintergrund aufweisen, gehören der Risikogruppe an. Diese Kinder und Jugendlichen hatten in allen fünf Befragungswellen über die drei Jahre der Pandemie ein höheres Risiko für eine geringe Lebensqualität, für mehr psychische Gesundheitsprobleme, Angstsymptome und Anzeichen von Depressivität. Demgegenüber haben Kinder und Jugendliche, die über ein gutes Familienklima und gute soziale Unterstützung berichten, ein deutlich geringeres Risiko für eine niedrigere Lebensqualität sowie psychische und psychosomatische Auffälligkeiten.

Über die Studie

Die COPSY-Längsschnittstudie erfasst die seelische Gesundheit, Lebensqualität, psychosomatischen Beschwerden sowie Ressourcen und Risikofaktoren von Kindern und Jugendlichen seit Beginn der Pandemie in bisher fünf Befragungswellen von 2020 bis 2022. Die 11- bis 17-Jährigen haben ihre Fragebögen selbst ausgefüllt, außerdem wurden Eltern von 7- bis 17-Jährigen zu Familien- und Kindergesundheit befragt. Die Stichprobe entspricht der Struktur der bundesdeutschen Grundgesamtheit laut aktuellem Mikrozensus (2018). Die fünfte Befragungswelle wurde im September und Oktober 2022 durchgeführt und mit präpandemischen Referenzwerten der „Befragung zum seelischen Wohlbefinden und Verhalten“ (BELLA) verglichen. Bei BELLA handelt es sich um ein Zusatzmodul der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KIGGS) im Rahmen der Bundesgesundheitsberichterstattung am Robert Koch-Institut (RKI).

Weitere Informationen: www.uke.de/copsy

Literatur:

Ulrike Ravens-Sieberer et. al. Three years into the pandemic: Results of the longitudinal German COPSY study on youth mental health and health-related quality of life. SSRN, Dezember 2022. Doi: https://ssrn.com/abstract=4304666 (Preprint)

 

Über Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Das 1889 gegründete Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist eine der modernsten Kliniken Europas und mit rund 14.400 Mitarbeitenden einer der größten Arbeitgeber in Hamburg. Pro Jahr werden im UKE rund 497.000 Patient:innen versorgt, 90.000 davon stationär und 407.000 ambulant. Zu den Forschungsschwerpunkten des UKE gehören die Neurowissenschaften, die Herz-Kreislauf-Forschung, die Versorgungsforschung, die Onkologie sowie Infektionen und Entzündungen. Über die Medizinische Fakultät bildet das UKE rund 3.400 Mediziner:innen, Zahnmediziner:innen und Hebammen aus.

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