Der Ilmenauer Absolvent Leonhard Lenk ist mit dem Studienpreis 2018 der SEW-EURODRIVE-Stiftung ausgezeichnet worden. Die Stiftung zeichnet jährlich einige wenige Nachwuchswissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz für herausragende Leistungen aus. Der Preis wurde vor wenigen Tagen im Schloss Bruchsal bei Karlsruhe übergeben.

Leonhard Lenk erhielt die mit 2.500 Euro dotierte Auszeichnung für seine Masterarbeit, in der er einen weltweit neuartigen Ansatz für die Gestaltung von Kamerazoomsystemen vorstellt. Der Preisträger leistete laut Juryurteil damit einen bedeutenden Beitrag für künftige, komfortablere und präzisere optische Systeme in unterschiedlichsten Kameras – von professionellen Fotokameras über Smartphonekameras bis zu Kameras für die industrielle Bildverarbeitung, die beispielsweise zur Qualitätskontrolle von Produkten eingesetzt werden.

Die Arbeit entstand an der Fakultät für Maschinenbau der TU Ilmenau im Fachgebiet Technische Optik. Fachgebietsleiter und Betreuer Professor Stefan Sinzinger zeigt sich sehr erfreut über die Auszeichnung seines Absolventen: „Wir freuen uns sehr, dass sich in diesem Jahr erneut ein Absolvent der TU Ilmenau unter den Preisträgern befindet. Das ist zugleich ein Beleg für die Attraktivität der TU Ilmenau für sehr leistungsfähige Studierende und Nachwuchswissenschaftler und eine Anerkennung der Lehre und Forschung an unserer Universität.“

Optische Zoom-Systeme sind gemeinhin als Kameraobjektive bekannt, die mit variablen Brennweiten Aufnahmen in verschiedenen Vergrößerungen erlauben. Dabei ist entscheidend, dass während der Veränderung der Brennweite die Bildebene, in der das vom Objektiv erzeugte Bild scharf erscheint, konstant auf dem Detektor der Kamera bleibt. In herkömmlichen Systemen muss dies durch mechanische Verschiebung von mindestens zwei unabhängig voneinander positionierten Linsengruppen sichergestellt werden. Dabei dient in der Regel eine der Linsengruppen der Variation der Brennweite des Systems, diese wird dafür meist linear verschoben und wird als „Variator“ bezeichnet. Die zweite Linsengruppe hat die Aufgabe, die dabei entstehende Wanderung der Bildebene auszugleichen. Sie wird als „Kompensator“ bezeichnet und muss sich während des Zoomens mit wechselnden Geschwindigkeiten bewegen. Dieser nichtlineare Zusammenhang zwischen Variator- und Kompensatorbewegung führt zu hohen Anforderungen an die Fertigung der beteiligten Komponenten und zu einer hohen Komplexität des Gesamtsystems, die sich auch in dementsprechend hohen Preisen niederschlägt.

Forscher suchen daher nach Wegen, die Systeme zu vereinfachen. High-Tech-Bauteile wie die so genannten verstimmbaren Linsen – Linsen, deren Brennweite sich zum Beispiel elektrisch variabel einstellen lässt, könnten hierbei völlig neue Möglichkeiten bieten. So lässt sich über eine Brennweitenvariation der gleiche Effekt wie bei einer mechanischen Verschiebung einer Linsengruppe erzielen. Die variable Ansteuerung über eine elektrische Spannung ermöglicht auch die Realisierung komplexer nichtlinearer Brennweitenvariationen ohne zusätzlichen Fertigungsaufwand. Außerdem eröffnen sie Möglichkeiten für kompaktere Objektive, da sie keinen Bewegungsspielraum entlang der optischen Achse erfordern, welcher unter anderem für die charakteristische große Länge herkömmlicher Zoomobjektive mit verantwortlich ist. Für den Fotografen hieße das, dass auch professionelle Ausrüstung deutlich handlicher wird.

An der TU Ilmenau werden in den Fachgebieten Mikromechanische Systeme und Technische Optik unter anderem im Rahmen des Schwerpunktprogrammes der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Aktive Mikrooptiken“ derartige Linsen erforscht. Sie sind komplexe optische Mikrosysteme, deren Entwicklung durch modernste Gerätetechnik im Zentrum für Mikro- und Nanotechnologien möglich wurde. Allerdings war ihr Einsatz in klassischen Zoomsystemen bislang nicht praktikabel, da diese für eine gute Abbildungsqualität einen bestimmten Öffnungsdurchmesser benötigen, der Brennweitenvariationsbereich verfügbarer verstimmbarer Linsen mit derart großem Öffnungsdurchmesser jedoch beschränkt ist.

Aus diesem Grund bietet sich eine Kombination der Konzepte klassischer Zoomoptiken mit verstimmbaren Linsen an, in der die Brennweitenvariation der verstimmbaren Linsen gemeinsam mit linearen Verschiebungen der Linsengruppen ein Zoomobjektiv mit reduzierter Komplexität, kompakterer Bauweise und gleichzeitig großem Vergrößerungsbereich ermöglicht. Um das Potenzial dieser Idee voll auszuschöpfen, ist es besonders wichtig, die für die jeweiligen Anforderungen optimale Balance zwischen mechanischer Verschiebung und Brennweitenvariation der verstimmbaren Linse zu finden.

Leonhard Lenk gelang es im Rahmen seiner Masterarbeit weltweit erstmals, dieses Problem zu lösen. Dafür untersuchte er die große Menge möglicher Lösungen für optische Zoomsysteme systematisch auf ihre Eignung für den Einsatz kommerziell erhältlicher verstimmbarer Optiken. Die Analyse ausgewählter Lösungen konnte er mit dem am Fachgebiet Optik entwickelten innovativen Softwaretool PARAX komfortabel durchführen. In intensiver Forschungsarbeit gelang es Leonhard Lenk schließlich, neue Lösungsansätze für die Gestaltung von Zoomoptiken zu finden und im Laboraufbau zu demonstrieren. Er wird seine Forschungsarbeit am Fachgebiet Technische Optik der TU Ilmenau nun im Rahmen seines Promotionsvorhabens fortsetzen.

Über die SEW–EURODRIVE–Stiftung

Die SEW-Eurodrive-Stiftung wurde 1989 zum Gedenken an den langjährigen Geschäftsführer der SEW-Eurodrive GmbH Ernst Wilhelm Blickle errichtet. Das 1931 gegründete Unternehmen „Süddeutsche-Elektromotoren-Werke“, seit 1971 kurz SEW-Eurodrive, beschäftigt heute rund 17.000 Mitarbeiter. Ziel der Stiftung ist, Forschung und Entwicklung in Technik und Wirtschaft zu fördern. Dazu vergibt die Stiftung unter anderem alle zwei Jahre den mit 100.000 Euro dotierten Ernst-Blickle-Preis sowie jährlich den SEW-Eurodrive-Studienpreis für herausragende Abschlussarbeiten von Studierenden in den Bereichen Elektrotechnik, Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften. Die Preisträger werden durch die Stiftung ermittelt und kommen von maximal zehn Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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