Ärzte müssen werdende Eltern auf eine mögliche schwere Behinderung ihres Kinds hinweisen – auch wenn die Wahrscheinlichkeit mit 12% niedrig liegt. Das berichtet die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mit Blick auf eine entsprechende Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. Februar 2020 (AZ: 7 U 139/16).

Die schwangere Frau wurde nicht nur von ihrer Frauenärztin betreut, sondern sie begab sich darüber hinaus in die spezialisierte Behandlung von Klinikärzten. Das taten die werdenden Eltern, um möglichst frühzeitig über Schädigungen des ungeborenen Kindes informiert zu werden. Zuvor hatte die Frau bereits eine Schwangerschaft abgebrochen, als bei dem Embryo das Turner-Syndrom diagnostiziert wurde.

Die Ärzte in der Klinik stellten im Rahmen eines MRT fest, dass das ungeborene Kind an einer Balkenagenesie litt – der Balken zwischen den beiden Gehirnhälften fehlt. In solchen Fällen kommen zwar die meisten Kinder gesund zur Welt, 25% von ihnen muss allerdings mit einer Behinderung leben, 12% mit einer schweren Behinderung.

Die Eltern forderten Schadensersatz, weil sie über das Risiko, ein schwer behindertes Kind zu haben, nicht ausreichend aufgeklärt worden seien. Die Frau hatte gegenüber den Ärzten von Anfang an deutlich gemacht, dass sie sich einem behinderten Kind nicht gewachsen fühle und beim Risiko einer Behinderung die Schwangerschaft abbrechen würde.

Vor Gericht hatten die Eltern Erfolg. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Arzt die werdenden Eltern bei der Besprechung des MRT-Befundes nicht auf die Möglichkeit einer schweren Behinderung hingewiesen hatte.

Insbesondere einem Arzt sei bekannt gewesen, dass die Frau sich mit der Frage, ein möglicherweise gesundheitlich beeinträchtigtes Kind auszutragen, intensiv auseinandergesetzt habe. Nur weil sie nichts von der Möglichkeit einer Behinderung gewusst habe, habe die Frau das Kind ausgetragen. Fest stehe, dass sie bei Kenntnis einer auch nur geringen Wahrscheinlichkeit einer Behinderung die Schwangerschaft auf legalem Wege abgebrochen hätte.

Nach Anhörung eines Sachverständigen zeigten sich die Richter überzeugt, dass der Schwangerschaftsabbruch im vorliegenden Ausnahmefall gerechtfertigt gewesen wäre. Schon zum damaligen Zeitpunkt wären die außergewöhnlich schweren psychischen Folgen für die Mutter absehbar gewesen.

Die Frau pflegt und betreut ihr behindertes Kind durchgehend und ist heute psychisch stark belastet. Sie leidet seit der Geburt ihres Kinds an einer depressiv-ängstlichen Entwicklung bzw. Anpassungsstörung. Hinzu kommen Schlafstörungen wegen der Angst um das Kind. Unter anderem sprach das Gericht der Mutter mit Blick auf diese schwerwiegenden psychischen Folgen ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro zu.

Informationen: www.dav-medizinrecht.de

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