Freiburger Forscher*innen entschlüsseln entscheidende Unterschiede in der Signalweiterleitung antiviraler Warnsysteme / Eine darauf aufbauende Therapie könnte außer Kontrolle geratene Teile des Immunsystems abschalten, ohne die Infektabwehr zu schwächen

Wissenschaftler*innen des Universitätsklinikums Freiburg haben in internationaler Zusammenarbeit entscheidende Unterschiede in der Signalweiterleitung zweier antiviraler Abwehrsysteme entschlüsselt. In seltenen Fällen gerät das sogenannte Typ-I-Interferonsystem außer Kontrolle und kann schwere entzündliche Erkrankungen auslösen. Diese Erkrankungen werden derzeit mit Medikamenten behandelt, welche allerdings auch andere Teile des Immunsystems ungewollt unterdrücken und dadurch ein erhöhtes Infektionsrisiko begünstigen. Die neu entdeckten Unterschiede in den beiden Abwehrsystemen ermöglichen es gezielt, nur den krankmachenden Teil des Immunsystems abzuschalten. Die Studie erschien am 14. Mai 2021 im renommierten Fachmagazin Science Immunology.

„Wir konnten einen wichtigen Unterschied in der Signalweiterleitung zweier antiviraler Abwehrsysteme entschlüsseln. Dank dieser neuen Erkenntnis können künftig überschießende Immunreaktionen deutlich gezielter behandelt werden als bisher“, sagt Prof. Dr. Peter Stäheli, Forschungsgruppenleiter am Institut für Virologie des Universitätsklinikums Freiburg.  

Werden Virusinfektionen von einzelnen Zellen im Körper erkannt, so produzieren diese Warnstoffe, sogenannte Interferone, welche benachbarte Zellen vor der bevorstehenden Bedrohung warnen. Diese können sich dann entsprechend rüsten und die Infektion besser abwehren. Während Typ-I-Interferone auf nahezu alle Zellen im Körper wirken, schützten Typ-III-Interferone gezielt die Zellen im Körper, welche uns nach außen hin abschirmen und eine Schutzbarriere gegen Infektionen bilden. Liegen seltene genetische Defekte vor, kann dies zu einer Daueraktivierung der antiviralen Abwehrsysteme führen. Eine überschießende Typ-I-Interferon-Reaktion führt dann zu schweren entzündliche Erkrankungen, welche als Typ-I-Interferonopathien klassifiziert werden.

Klinisch bereits getestete Medikamente können helfen

Da die Effekte von Typ-I- und Typ-III-Interferon auf die jeweiligen Zielzellen nahezu identisch sind, ging man lange Zeit davon aus, dass sich die Signalweiterleitung der beiden Systeme nicht unterscheidet. Aufbauend auf bereits veröffentlichten Vorerkenntnissen der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Stephan Ehl, Medizinischer Direktor des Centrums für Chronische Immundefizienz am Universitätsklinikum Freiburg, konnten Wissenschaftler*innen des Instituts für Virologie aus der Arbeitsgruppe von Peter Stäheli nun folgendes zeigen: Die Signalweiterleitung von potentiell krankmachenden Typ-I-Interferonen ist viel stärker von dem Signalprotein TYK2 abhängig als die der schützenden Typ-III-Interferone. Klinisch bereits getestete Hemmstoffe, welche gezielt und spezifisch TYK2 blockieren, konnten in der neuen Studie die Wirkung von Typ-I-Interferon erfolgreich unterdrücken, während die schützenden Effekte von Typ-III-Interferon erhalten blieben. Ebenso konnte im Mausmodell gezeigt werden, dass Typ-III-Interferone, nicht aber Typ-I-Interferone, in Abwesenheit von TYK2 vor einer schweren Influenzavirus-Infektion schützen.

„Diese Erkenntnisse könnten Kliniker*innen künftig die Möglichkeit geben, Betroffenen eine verbesserte Behandlungsmöglichkeit mit deutlich niedrigerem Infektionsrisiko anzubieten“, erklärt der experimentelle Leiter der Studie Dr. Daniel Schnepf vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Freiburg. Die Wissenschaftler*innen wollen ihre Arbeiten nun auf die Fragestellung ausweiten, ob eine solche gezielte Einflussnahme auf Teile der Immunantwort auch bei Virusinfektionen mit Grippeviren oder SARS-CoV-2 die Kollateralschäden durch das Immunsystem reduzieren könnte.

Originaltitel der Arbeit: Selective Janus Kinase Inhibition Preserves Interferon-λ-mediated Antiviral Responses.
DOI: 10.1126/sciimmunol.abd5318
Link zur Studie: https://immunology.sciencemag.org/content/6/59/eabd5318

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