Die Pandemie hat Spuren hinterlassen gerade auch bei jungen Menschen. Die notwendige Einschränkung der sozialen Kontakte hat dazu geführt, dass die psychiatrischen Störungsbilder in der Altersgruppe zwischen 15 und 25 deutlich angestiegen sind. Jugendliche unter 18 fallen in die Zuständigkeit von Kinder- und Jugendpsychiater*innen. Was aber passiert nach dem 18. Geburtstag? Eine weiterführende Therapie in der „Erwachsenenpsychiatrie“ muss nicht unbedingt zielführend sein, viele junge Erwachsene fallen so aus der Behandlung. Damit sich es zu keinem unbehandelten Intervall kommt, hat das UKM (Universitätsklinikum Münster) die Sektion für Transitionspsychiatrie gegründet.

Die Sektion in der Klinik für Psychische Gesundheit wurde bereits im Pandemie-Jahr 2020 gegründet und kooperiert auf vielen Ebenen eng mit der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie, sowie der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Behandelt werden Menschen zwischen 18 und 24 Jahren. Leiter der Sektion in der Klinik für Psychische Gesundheit am UKM ist Univ.-Prof. Dr. Dr. Udo Dannlowski. Er sagt: „Der Übergang von der Jugend in das Erwachsenenalter ist ein Lebensabschnitt mit großen Herausforderungen und Veränderungen, in dem Weichenstellungen für den späteren Lebensweg erfolgen. Etwa dreiviertel aller psychischen Erkrankungen haben ihren Beginn bereits vor dem 25. Lebensjahr. Dabei stellt in der Versorgung der Übergang von kinder- und jugendpsychiatrischer Behandlung hin zum Erwachsenensetting oft einen Bruch in Behandlungskonzepten und Zuständigkeiten dar, der zu Therapieabbrüchen und mangelnder Versorgung führt.“

Gerade in der Altersphase zwischen 18 und 24 entscheidet sich oft, ob eine psychische Auffälligkeit lediglich eine verlängerte Reifungskrise in der Jugend ist oder ob sich wirklich eine manifeste psychische Erkrankung entwickelt. Um eine Chronifizierung von psychischen Erkrankungen zu vermeiden, ist es aber nötig, dass eine im Jugendalter bereits begonnene Behandlung auch in der frühen Erwachsenenphase fortgesetzt wird. Der Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und –psychotherapie, Univ.-Prof. Georg Romer, sagt dazu: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Übergang nicht selbstverständlich gelingt, weil die Erwachsenenpsychiatrie aufgrund der dortigen Alterszusammensetzung der Patienten oft nicht den geeigneten Rahmen für diese jungen Patienten anbieten kann. Wenn sich die Betroffenen nicht aufgehoben fühlen, brechen sie ihre Therapie häufig ab. Junge Menschen mit psychischen Vorerkrankungen dürfen aber nicht aus dem System fallen, sonst droht schlimmstenfalls eine lebenslange psychische Behinderung.“

Prädestiniert, an dieser Schnittstelle des Gesundheitssystems zu scheitern, seien vor allem Patient*innen mit Schizophrenien und Psychosen, sagt Dannlowski. Eine erste Diagnose dieser Krankheitsbilder erhalten Betroffene oft rund um die Volljährigkeit. „Die Folge sind häufig Einbrüche in der weiteren psychosozialen Entwicklung der Adoleszenten“, erklärt Dannlowski. „Diese Patienten wenden sich in der Jugend mit noch unspezifischen Symptomen an einen Kinderpsychiater, der die beginnende Psychose nicht erkennt, einfach, weil sie in diesem Alter noch unspezifisch erscheint. Rund um den 18. Geburtstag herum sind diese Jugendlichen dann meist nicht mehr in Behandlung und tauchen erst mit Mitte zwanzig mit einer manifesten Schizophrenie wieder im System auf“, berichtete der Experte. „Ziel muss es sein, die Langzeitprognose solcher Patientinnen und Patienten zu verbessern“, sagt Jugendpsychiater Romer. Um das für die Altersgruppe besser zu gewährleisten nimmt das UKM an der multizentrischen Innovationsfondsstudie CARE des Gemeinsamen Bundesausschusses teil. Die Früherkennungsstudie hat sich zum Ziel gesetzt, ein Präventionsmodell zur Risikoabschätzung von Hochrisikopatient*innen für Psychosen zu entwickeln, um dann mit einer entsprechend frühen Behandlung intervenieren zu können.

CARE steht dabei für „Computer-assistierte Risiko-Evaluation in der Früherkennung psychotischer Erkrankungen“. Im Rahmen dieser randomisiert-kontrollierten Studie werden Patientinnen und Patienten, die auf dem aktuellsten Stand der internationalen Forschung mit KI-gestufter Diagnostik hochindividualisiert therapeutisch behandelt werden, mit einer Kontrollgruppe verglichen, die gemäß der bisher üblichen Praxis behandelt werden. Sollte die Studie einen Behandlungsvorteil zeigen, kann durch das Projekt CARE eine mit KI maßgeschneiderte risikostratifizierte Diagnostik und Therapie entwickelt werden, um psychiatrische Erkrankungen zu verhindern oder Krankheitsverläufe deutlich abzumildern. Für diese Studie sucht die Sektion Transitionspsychiatrie noch Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

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