Zum Thema „Urwälder von morgen“ luden Niedersächsische Landesforsten und NABU Niedersachsen Interessierte am 6. September in den Süntel bei Oldendorf ein. Bei der in diesem Jahr zum 14. Mal ausgerichteten Fachveranstaltung ging es diesmal um den Beitrag sich selbst überlassener Wälder zum Erhalt der biologischen Vielfalt.

Nachdem die ersten Naturwälder bereits in den 1970er Jahren und der Nationalpark Harz 1994 die Grundlage gelegt hatten, schließen die Niederländischen Landesforsten seit dem Jahr 2017 die verbliebene Lücke, um 10% ihrer Waldfläche, in Summe etwa 33.000 Hektar, dauerhaft einer natürlichen Entwicklung zu überlassen. Auf diesen Flächen verzichten die Förster ab 2020, aber in weiten Teilen auch bereits jetzt auf jegliche Pflegemaßnahmen und die Ernte von Holz. Das Ziel: Durch das Ausbleiben des direkten menschlichen Einflusses sollen sich die Wälder zu Urwäldern entwickeln. Diese bieten für einige Arten wertvolle Lebensräume. Der Hohenstein im Süntel ist das größte zusammenhängende Gebiet dieser Art außerhalb des Nationalparks Harz.

Dr. Klaus Merker, Präsident der Niedersächsischen Landesforsten, erläutert bei der Begrüßung: „Auf unseren Flächen tragen wir die Verantwortung dafür, dass die im Wald vorhandene Artenvielfalt erhalten bleibt. Dies gewährleisten wir durch unsere naturnahe Bewirtschaftung seit Jahrzehnten. Die Ausweisung der Naturwälder auf 10 Prozent unserer Fläche stellt einen wichtigen Schritt für den Erhalt der Biodiversität und den Erholungswert für die Bevölkerung dar.“ Zwar stünden die Flächen nicht mehr für die Holznutzung zur Verfügung, die Naturwälder könnten jedoch weiterhin erwandert werden. Zudem liefert die Naturwaldforschung wichtige Erkenntnisse, die die Förster der Öffentlichkeit in diesen Wäldern und in den 11 Waldpädagogikzentren vermitteln wollen. „Wir wollen diese wie unsere anderen Wälder auch weiterhin erlebbar machen, schließlich kommen wir mit diesem Schritt auch dem Wunsch vieler Menschen nach unberührter Natur nach“, erklärt Merker.

Dr. Holger Buschmann, Vorsitzender des NABU Niedersachsen, ergänzt: „Naturwälder leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt, sondern haben auch eine hohe Bedeutung für den Klimaschutz. Es ist daher zwingend notwendig, auf die Herausforderungen der Klimakrise mit einem neuen Waldmanagement zu reagieren. Wichtig ist es aktuell, tote Bäume, die nur mit hohem Kostenaufwand aus den Wäldern entfernt werden könnten als Kohlenstoffspeicher, wichtige Lebensräume für seltene Käferarten und als Schutz sowie Nährstoffgrundlage für kommende Waldgenerationen im Wald zu belassen“. „Naturwälder werden gerade in diesem Sinne eine immens wichtige Rolle in der Zukunft haben. Daher danke ich den Niedersächsischen Landesforsten für die konstruktive und konsequente Umsetzung der Naturwälder.", so Dr. Buschmann abschließend.

Experten unter anderem vom Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sowie von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) informierten in Fachvorträgen über den naturschutzfachlichen Wert der Naturwälder insgesamt, aber auch im Hinblick auf einzelne Artengruppen wie Käfer.

Im Anschluss führte der Leiter des Forstamtes Oldendorf, Christian Weigel, durch das Exkursionsgebiet am Hohenstein und wies auf die naturschutzfachlichen Besonderheiten des Gebietes hin.

Hintergrund:

Seit 14 Jahren richten der NABU Niedersachsen und die Niedersächsischen Landesforsten gemeinsam jährlich eine Fachveranstaltung zu wechselnden Themen im Bereich des Waldnaturschutzes aus. In der Vergangenheit standen oft einzelne Arten wie Schwarzstorch oder der Juchtenkäfer im Fokus, aber auch die naturschutzfachliche Bedeutung ganzer Lebensräume wie Fließgewässer, Hutewälder oder jetzt der Urwälder von morgen sind Gegenstand der Fachveranstaltungen.

Als Reaktion auf die bei der Biodiversitätskonferenz 1992 in Rio de Janeiro beschlossene „Biodiversitätskonvention“, mit der der weltweit feststellbare Verlust an Lebensräumen und Artenvielfalt aufgehalten werden sollte, beschloss die Bundesregierung 2007 die nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt (NBS, 2007). Neben der nachhaltigen Nutzung und dem naturverträglichen Wirtschaften ist darin in Bezug auf Wälder das Ziel formuliert, zum Schutz der Biodiversität 5 Prozent der Waldfläche Deutschlands der natürlichen Entwicklung zu überlassen. Zur Erreichung dieses Ziels sollen demnach vorrangig 10 Prozent der Wälder der öffentlichen Hand, zu denen auch die Landesforsten gehören, aus der forstlichen Nutzung genommen werden.

Damit soll vor allem der Teil der Biodiversität geschützt werden, der auf urwaldähnliche Strukturen angewiesen ist. Denn in bewirtschafteten Wäldern werden Bäume meist geerntet, bevor sie ihr natürliches Höchstalter erreichen oder von alleine absterben. In den Naturwäldern sollen hingegen Alters- und Zerfallsphasen ungestört ablaufen, sodass die Tier- und Pflanzenarten, die an solche Waldstrukturen gebunden sind, besonders geschützt werden.

Die ausgewiesenen „Urwälder von morgen“ wurden nach wissenschaftlichen Kriterien in Wäldern ausgewählt, in denen charakteristische Arten vorkommen oder deren Vorkommen aufgrund der Waldeigenschaften als wahrscheinlich angenommen werden konnte. Die Flächen belegen die Wirksamkeit der Naturschutzarbeit und der naturnahen Bewirtschaftung durch die Landesforsten.

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